OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Google kennt jeder heute, aber wer ist Herb Grosch? Bestenfalls weiß man von ihm das Grosch'sche Gesetz in Deutsch etwa „Wenn ein Rechner doppelt so teuer ist, muss er die vierfache Leistung erbringen.“

Herb Grosch

Er war ein Wissenschaftler, der lange für IBM gearbeitet hat und dort (was heute lächerlich klingt) auch seinen Bart behalten durfte. Bärte waren in der Frühzeit bei IBM nämlich verboten, weil sie bei den vielen mechanischen Maschinen (ich erinnere, dass IBM u.a. aus einer Lochkartenfirma entstanden ist) ein Sicherheitsrisiko darstellten.

Irgendwann hat er sich offenbar mit IBM überworfen und er ist dann als Professor im Alt-Hippie-Look für kurze Zeit mit einem Vortrag durch die Lande gezogen, der mich doch sehr überrascht hat. Das Thema war „Bald gibt es nur noch eine Computerfirma, nämlich IBM“. Vorher waren IBM das Schneewittchen und die vielen Mitbewerber die sieben Zwerge. Dann war IBM „Big Blue“ und die Mitbewerber waren das BUNCH (Rudel, das waren Burroughs, Univac, NCR, CDC und Honeywell). Und jetzt sollte also laut Grosch IBM alle dominieren (und das wurde implizit immer auch unterstellt, die Weltherrschaft übernehmen). Als IBMer schien das zuerst sehr angenehm für mich zu sein, aber es war schnell klar, dass er damit der IBM Schaden zufügen wollte und die Kräfte, die IBM hassten, stärken wollte. Salopp gesagt, war er einer von den Provokateuren, die einen möglichen Monopolisten ärgern wollten.

Standardisierende Wirkung ist positiv

Sein Kalkül aber ging nicht auf. Viele Entscheider erkannten die positive standardisierende Wirkung von einem dominierenden Anbieter. Sie hat das Leben stark vereinfacht. Eine österreichische Bundesregierung hat zum Beispiel für die staatlichen Rechenzentren (RZ) vorgeschrieben, dass nur IBM Rechner eingesetzt werden durften.

Als ehemaliger Insider kann ich die wesentlichen Vorteile einer großen Firma gut beurteilen. Sie standardisiert ihre Industrie (mit Industriestandards oder de facto Standards), sie will die besten Mitarbeiter und zahlt daher auch exzellente Gehälter (und bietet viele Sonderleistungen), sie ist also ein guter und sicherer Arbeitgeber, wenn man Leistung erbringen kann, sie fördert den Wohlstand in den Regionen, wo sie vertreten ist, sie bietet weltweite Lösungen an und - wenn man sie als Kunde wählt - ist man auf der sicheren Seite.

Die Angst vor Monopolen

Aber warum erscheinen dann Monopole als so gefährlich, dass man sie verbieten und zerschlagen muss? Der Grund war simpel: Sie können den Fortschritt behindern, sie können die Preise diktieren, sie erlauben keine Konkurrenz und können so den Kunden und einem Staat schaden. Ich betone dabei „können“, denn in einem sich schnell ändernden Umfeld wird es gar nicht dazu kommen.

Die Angst vor Monopolen ist vor allem in den USA entstanden. Mit wirklich rücksichtslosen Methoden und einer fehlenden staatlichen Konkurrenz. In Europa gab es sicher auch einige Extremfälle, aber da es bei wichtigen Grundbedürfnissen staatliche Angebote gab, waren Monopole oder Oligopole weniger schmerzhaft und man konnte ruhig warten und zusehen, bis ihre Zeit vorbei war.

Kartelle

Hier war es häufig wichtiger, für Kunden schädliche Absprachen zwischen Konkurrenten zu verhindern, also Kartelle. Ohne jetzt auf alle Feinheiten einzugehen, nicht alles an Kartellen war schlecht oder gar kriminell. Leider hat besonders der Staat hat in Bezug auf Kartelle nicht immer ein gutes Vorbild abgegeben. Es gibt speziell in Deutschland immer noch einige Zwangsmitgliedschaften, zum Beispiel die Öffentlich Rechtlichen Medien, die dringend einer Überholung bedürften.

Wie man aus der Geschichte weiß, ist IBM nicht die einzige Computerfirma der Welt geworden. Grosch hatte also nicht Recht. Eine Firma namens Microsoft war viele Jahre später in der gleichen Situation wie vorher IBM. Sie hat de facto Standards gesetzt, aber das Wachstum der Großrechner beschnitten, ist zudem auch weltweit tätig und hatte entsprechend viele Feinde.

Für mich war es lustig zu sehen, dass fast genau die gleichen Vor- und Nachteile entstanden sind wie vorher bei IBM. Besonders die Reaktion der Universitäten war eine vergleichbare: Wo es geht, stets gegen die jeweils dominierende Firma!

Da Microsoft überwiegend eine Software Firma war, hat sie besonders viel dazu beigetragen, dass Geräte, die Bedienung und Ausbildung stark vereinheitlicht und damit sehr viel billiger wurden und Rechner wirklich bald überall im Alltag zu finden waren.

Danach kam Apple, das mit der Einführung des Smartphones dort in diesem Segment eine ähnliche dominierende Rolle spielte und parallel dazu Google, das im Internet mit der Entwicklung guter Suchmaschinen schon fast revolutionierenden Erfolg hatte und große Veränderungen in der Medienwelt eingeleitet hat.

Angst vor der Weltherrschaft

Im Grunde war es immer das gleiche Schema

Fast alle waren sie wunderbare und attraktive Arbeitgeber. Bei Apple weiß ich das nicht, da habe ich zu wenig Einblick. Aber alle haben sie große, risikoreiche Investitionen gewagt, Neuland betreten und auch gelegentlich falsche Entscheidungen gut verdaut. Alle haben sehr zum Fortschritt, Wohl und Wohlstand der Menschheit beigetragen und haben – in meinen Augen – das Vermögen, das sie eingenommen haben, durchaus auch verdient.

Und ebenfalls nehme ich an, dass alle legal ihre Steuern bezahlt haben. Dass sie dabei alle Schlupflöcher auch ausgenutzt haben, diese Schuld schiebe ich eher den Staaten zu, die diese geschaffen haben. Ich betone das deshalb, weil sich gerade Europa auf diesem Gebiet schuldig gemacht hat und erlaubt hat, dass große Firmen zu wenig Steuern zahlen. Deshalb habe ich wenig Verständnis für eine EU Kommission, die jetzt rückwirkend (z.B. von Apple) Steuern eintreiben will. Ich würde mich aber sehr freuen, dass auch in Europa der Grundsatz gilt, dass Steuern dort gezahlt werden, wo die Geschäfte gemacht werden.

Die Neider

Meist haben die vielen Neider keine Ruhe gegeben. Immer wieder wurde die Monopol-Keule bemüht, um den großen Firmen, die eigentlich nur besser als die anderen gearbeitet haben, Schaden zuzufügen. Und es fanden sich auch immer willfährige Politiker, die sich vor diesen Karren spannen ließen. Auch hier gilt meine Kritik der EU Kommission, die auf fast zwanghafte Art und Weise versucht, z.B. Google ein Monopolvergehen nachzuweisen. Auch bleibt die Frage unbeantwortet, ob auf globalen Märkten überhaupt Monopole definiert werden können, vor allem wenn man China mit einbezieht?

Wo ist nun der Haken? Ist die Welt wirklich in Ordnung? Nein, das ist sie auch in meinen Augen nicht. Aber die Schwachstellen des Systems sind ganz wo anders, als man sie heute sieht. Nicht das Marktmonopol ist das Problem, sondern das Wissensmonopol, das man wegen veralteter Patentrechte nicht mehr allgemein nutzen kann.

Patente als Waffe

Patente waren ursprünglich ein Schutz, der die Investitionen in sie schützen sollte. Aber sie wurden zu Waffen und der Vergleich zu Minen (von Elon Musk ) ist mehr als passend. Minen legt man aus, um sich vor Angreifern zu schützen. Aber sie sind auch noch vorhanden, wenn es keine Angreifer mehr gibt und sie werden dann zur tödlichen Behinderung, auch für den, der sie ausgelegt hat. Ist ein Gebiet erst mal vermint, ist es unbrauchbar für Veränderungen geworden, und zwar für Jahrzehnte! In der Technik heißt dies, sie kann sich nicht mehr weiter entwickeln.

Vor Apple waren Patente im Computerbereich ein geringes Problem. Fast alle Beteiligten haben untereinander erlaubt, Patente großzügig zu nutzen. Danach aber wurden Patente zur Waffe. Die Anzahl der Patente ist angestiegen, jede Kleinigkeit wurde patentiert und es gab unzählige Prozesse, in meinen Augen, um diese lächerlichen Kleinigkeiten und sicherlich auch vor unwissenden Gerichten.

Auch hier hat die Geschichte bisher gelehrt, dass langfristig der Patentschutz kein gutes Mittel zur Verteidigung ist, aber die Welt dadurch sehr viel komplexer und damit teurer geworden ist.

Im Kapitalmus kann man nur reich bleiben, wenn alle anderen auch reicher werden. Die Reichen, dazu gehört auch Europa, sollten daher großzügig ihr Wissen teilen, ihr Verständnis über „Geistiges Eigentum“ überdenken und eine Revolution für die heute bestehenden Schutzrechte einleiten.

Echter Schutz sind u.a. Kultur, Bildung, Innovation, schnelles Agieren und durchaus auch geheimes Wissen, das man für einige Zeit sicher auch gut schützen kann. Nämlich in einem Safe und mit gut bezahlten Mitarbeitern, aber nicht mit Patenten. Europa ist gerade dabei, getrieben von Lobbyisten, seine Chancen für eine Revolution der Schutzrechte nicht zu nutzen.

Besonders kritisch ist dabei das Urheberrecht. Was dabei kaum bedacht wird, ist die kurze Lebensdauer der Medien, die die geschützten Werke speichern. Eine gut gemachte und richtig aufbewahrte CD kann Musik etwa 20 Jahre lang zuverlässig speichern. Ist es in dieser Zeit nicht möglich, das Werk frei zu vervielfältigen, wird es vernichtet. Die gut gemeinten Schutzrechte werden so zu Kulturvernichtern im großen Stil.

Leider ist dies nicht nur eine theoretische Gefahr, sondern sie ist ganz real, wo der Staat es sich nicht zur Aufgabe gemacht hat, digital gespeicherte Werke selbst zu konservieren. Meines Wissens geschieht dies bisher nur bei Büchern, nicht aber bei Musik. Denn nur kommerziell erfolgreiche Musik wird neu aufgelegt, also ein sehr geringer Anteil. Die große Masse stirbt still. Auch hier versagt wieder die EU, die die Regeln großräumig ändern könnte.

Kompetenz in Europa

Dabei könnte Europa ein wunderbares Modell dafür sein, dass es nicht nur Ideen hat, sondern sie auch schnell umsetzt. Die Vielfalt unserer Kulturen wäre eine solide Brutstätte für Kreativität. Aber unsere EU Regierung ist bisher dazu unfähig. Sollte für das Amt "EU Commissioner for Digital Economy and Society" ein kompetenter Nachfolger gesucht werden, ich wüsste einen, dem ich das schwierige Amt zutraue. Wolfgang Blau, früher Digital Officer bei ZEIT und GUARDIAN, dann bei Conde Nast in London, ein international anerkannter Experte, ein engagierter, loyaler Europäer und ein feiner Gentleman.

Der Folgen für das Versäumnis werden gravierend sein und ich will sie hier gar nicht alle ausmalen. Von der Jugendarbeitslosigkeit in Europa bis zum weltweiten Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen, die im eigenen Kontinent keine Chancen mehr haben.

So wie die früher dominierenden Firmen auch ohne Zerschlagung ihre Machtpositionen verloren haben, so wird es vielleicht langfristig auch der EU passieren. Der Brexit war nur der Anfang. Ich blicke nicht mehr optimistisch in die Zukunft. Aber ich überlasse es besser der Jugend, sich zu engagieren. Alten Menschen wirft man ohnehin oft vor, dass sie zu pessimistisch sind.


Wenn ich diese verschiedenen Entwicklungen zusammenfasse, dann wird klar, dass bei fast allen der Erfolg der Vergangenheit der Hauptgrund für die Schwäche danach war. Frühe Signale, dass sich das Umfeld ändert oder die Grundannahmen falsch waren, wurden entweder ganz ignoriert oder nicht wichtig genug genommen.

Bei den Firmen führte dies zu oft schwerzhaften Transformationsprozessen, aber das schaffen diese auch. Ich sehe keine der erwähnten in echter Gefahr.

Herb Grosch ist übrigens sehr alt geworden. Er ist erst 2010 gestorben und hat - so denke ich mal - sicherlich die Geschichte der Branche, die er mit gegründet hat, mit Interesse verfolgt. Unsere Wege haben sich nie wieder gekreuzt, obwohl wir beide bei ACM aktiv geblieben sind. Seinen Vortrag habe ich nicht im Internet finden können. Offenbar hat er andere weniger beeindruckt, als mich.

Europa hat Probleme

Für Europa bin ich - wie gesagt - nicht optimistisch. Bei der EU haben das viel zu schnelle Erweitern und das großzügige Geldausgeben dafür viele der Probleme übertüncht. Aber zuerst die Eurokrise und dann die Flüchtlingskrise haben klar gemacht, dass das Gebäude nicht stabil ist. Der Brexit hätte eine Zäsur werden können, dass Nachdenken angesagt ist, aber ich sehe das leider immer noch nicht. Vor allem traue ich es den heutigen EU Politikern gar nicht mehr zu. Wir hätten vielleicht doch die besten Köpfe nach Europa schicken müssen und nicht die entbehrlichen!

Freude zum Schluss

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