OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Wer dies liest, möge mir einige Vereinfachungen und die Betonung auf Deutschland nachsehen. Sie helfen den Text kürzer zu halten und lenken weniger von den Zentralpunkten ab.

Es gibt in meinen Augen keine echten Experten für die Zukunft und es gibt auch keine rundum vertrauenswürdigen für die Gegenwart. Noch am ehesten haben wir Experten für die Vergangenheit, denn sie lässt sich am besten überprüfen. Wenn wir also wissen wollen, wie wir am besten für die Zukunft vorsorgen wollen, dann haben wir außer unseren Erfahrungen mit der Vergangenheit nicht viel Auswahl.

Warum ist die Zukunftsfrage trotzdem für uns wichtig? In unseren Demokratien werden Entscheidungen für die Mehrheit der heute lebenden Erwachsenen optimiert. Wer also wiedergewählt werden will, das Hauptziel aller Politiker, denn nur so ist ihr Lebensunterhalt gesichert, muss also ziemlich kurzfristig und egoistisch, im Sinne seiner heutigen Wählerinnen und Wähler, entscheiden.

Natürlich hat es immer wieder Versuche gegeben, auch den zukünftigen Generationen eine Stimme zu geben, aber wer sollte sie kompetent vertreten? Ich bin sicherlich nicht zu negativ, wenn ich behaupte, die meisten dieser institutionellen Ansätze sind kläglich gescheitert. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, dass es keine akzeptierten Experten gibt, sondern auch das Gewicht der Prioritäten. Die Gegenwart ist uns im Zweifel eben wichtiger als die Zukunft.

Trotzdem sind wir nicht ganz hilflos, an diese Frage heranzugehen, denn wir haben in der Vergangenheit viele Wechsel in der Menschheitsgeschichte schon gemeistert. Vielleicht nicht alle gleich beim ersten Mal optimal, aber immerhin leben wir noch und viele auf unserem Globus sogar ganz gut oder zumindest besser als früher.

Die Frage ist nun, was hat sich bewährt, wenn wir an unsere Zukunft denken? Wichtig erscheint mir, dass alles in einer Evolution, in einem kontinuierlichem Fluss abläuft. Revolutionen als Zukunftskonzept haben sich nicht bewährt. Das Ziel muss sein, Flexibilität zu erreichen und eine Umgebung zu schaffen, die immer wieder Neues ausprobieren kann. Starrheit wäre in meinen Augen falsch, denn sie verhindert notwendige Anpassungen in einem sich ständig verändernden Umfeld.

Blume

Handlungsfreiheit – Freedom of action

Mit das wichtigste, was man einer zukünftigen Generation gestatten muss, ist, dass sie eigene Entscheidungen frei treffen kann und nicht eingeengt oder gar abgewürgt wird, von den unzähligen, im Nachhinein falschen oder zumindest problematischen Entscheidungen der Generation der Mütter und Väter.

Ganz augenscheinlich ist dies bei Schulden, deren Rückzahlung auf die Zukunft verschoben wird. Erbt man als Privatperson Schulden, dann kann man sie ablehnen, als Nachfolger in einem Staat geht das nicht.

Aber es gibt unzählige weitere, viel weniger spektakuläre, aber trotzdem sehr schmerzliche Einschränkungen, die weitergegeben werden. Alle Verträge, Vereinbarungen und Verpflichtungen, die eine Regierung abschließt, können und werden auch die Zukunft belasten. Handelt man nun klug, dann vereinbart man immer, wirklich immer, eine Gültigkeitsdauer, die für eine Generation überschaubar ist (z.B. maximal 30 Jahre) und immer auch eine Ausstiegsklausel, das heißt man legt auch gleich die Vorgehensweise fest, wie man den Vertrag vorzeitig beenden kann. So trivial das klingt, es wird heute in der großen Politik nicht darauf geachtet.

Schutzmaßnahmen

Eine große Falle, in die wir gerne fallen, sind sogenannte Schutzmaßnahmen, vom Denkmalschutz, Mutterschutz, Kündigungsschutz etc. bis zum Schutz des geistigen Eigentums durch Patente. Was im Augenblick als besonders verlockend und gut klingt, wird langfristig ziemlich sicher zum Riesenproblem werden. Ein Vergleich mit Minen im Krieg passt hier sehr gut. Minen werden gelegt, um sich vor Angreifern zu schützen, aber auch wenn die Gefahr vorbei ist, dann bleiben die Minen weiterhin da und behindern in Zukunft auch jene, die sie vorher geschützt haben. Der Schutz wird zum Gefängnis.

Auch hier helfen kurze Fristen, ich denke aber jetzt an kürzere Zeiträume, von 5 bis 15 Jahren, das Problem zu entschärfen. Hat sich eine Schutzmaßnahme bewährt, dann kann man sie ja verlängern, wenn nicht, dann soll sie auch auslaufen. Tut man das nicht, so entsteht im Laufe der Zeit ein undurchdringlicher Dschungel von Vorschriften, der jede neue Aktivität schon im Keim erstickt. Auch hier gilt, es klingt trivial, aber wir sind weit davon entfernt, das Problem in den Griff zu bekommen. Die Strafe heißt dann Reformstau, ein häufiges Phänomen in ganz Europa!

Perfektion nur, wo sie notwendig ist

Fast alle Probleme, die wir heute haben, waren früher einmal Lösungen von anderen Problemen. Dies ist wichtig zu wissen, denn dadurch werden wir viel vorsichtiger mit umfassenden und radikalen Lösungen. Salopp könnte man sagen, es ist viel besser, etwas zu schlampig zu sein, als zu perfekt. Sicherlich wird es immer Bereiche geben, in denen Perfektion zu 100 % notwendig sind, wie z.B. in vielen Bereichen der Technik oder der Medizin. Aber wenn sich in einer Gesellschaft ohnehin alles ändert, ist es hinderlich zu genau zu sein, denn das führt nur zu einem riesigen Aufwand bei jeder Umstellung.

Auch sollte man bedenken, dass jede Abweichung von der Norm eine Übertretung von Gesetzen bedeuten kann. Aber wie soll sich etwas verändern können, wenn man jede Übertretung gleich ahndet? Muss es dann nicht viel Illegales geben, wenn man Neues ausprobieren muss?

Wer also flexibel sein will, darf nicht zu perfekt sein. Für Ideologen eine schlimme Vorstellung, aber gerade an der Perfektion scheitern diese Menschen dann auch.

Bildung

Eine der wenigen Lehren aus der Geschichte, die allgemein Anerkennung finden, ist, dass Bildung tatsächlich zu einem besseren Leben führt, mit mehr Wohlstand, mehr Sicherheit und mehr Freiheit. Dennoch wird sich auch Bildung ändern müssen, sie muss flexibler werden, individueller und praktischer werden und natürlich immer auch bezahlbar bleiben. Und sie muss von Privatinteressen (wie Religionen und anderen Weltanschauungen) getrennt bleiben.

Ein ganz wichtiger Punkt wird bleiben, dass jene Gesellschaft, in der jeder Chancen hat sich zu bilden und zu entwickeln, auch unabhängig von Herkunft und Geschlecht, sich besser entwickeln wird, als jene, wo nur das Elternhaus die Bildungschancen garantiert.

Es ist also in einen Augen immer eine gute Investition in die Zukunft, wenn man gute Bibliotheken aufbaut, man Wissen und Können großzügig teilt, wo Zugriff zu Wissen allgemein möglich ist, man Medien fördert, die bilden, man Instrumente und Fähigkeiten lernen kann und alles auch gemeinsam ausüben kann. Bildung wird auch in Zukunft nicht nur auf Heranwachsende beschränkt bleiben, sondern uns weiterhin ein ganzes Leben lang begleiten.

Impfung

Ich sehe drei große Fortschritte in der Gesundheit der Menschen. Erstens Trennung von Menschen und Natur (speziell den Tieren), genannt Zivilisation, zweitens Trennung von Nahrung und Ausscheidung, bekannt als Hygiene und drittens die vorbeugende Aktivierung der körpereigenen Abwehr von Viren und Bakterien, bekannt als Impfung. Die Impfung hat uns tatsächlich geholfen, manche Krankheiten auszurotten. Und ich sehe es daher als Verpflichtung für die Zukunft, sie beizubehalten, genauso so wie sauberes Wasser, gesunde Luft, Hygiene und andere Segnungen der Zivilisation.

Reserven, verteilt und vernetzt, aber auch isolierbar

So wie jeder Privatmensch dafür sorgt, dass für ihn und seine Familie für Krisen oder Notzeiten Reserven aufgebaut werden, die ihn diese besser überstehen lassen, so ist auch der Staat in der Pflicht, nur in ganz anderen Dimensionen und Bereichen.

Wir haben schon heute (in Deutschland) ein funktionierendes System für Energiereserven, die als Beispiel für andere Reserven gelten können. Wasser wäre für Deutschland ein Beispiel, wo man in die Zukunft investieren könnte. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit immer mehr Dürreperioden, abwechselnd mit Überschwemmungen, bekommen. Was liegt also näher, für einen gelungenen Ausgleich zwischen den Klima Extremen zu sorgen.

Übrigens, ein guter Indikator, ob genügend Reserven vorhanden sind, ist die Normalauslastung. Liegt sie bei durchschnittlich 70 Prozent, dann ist alles in Ordnung. Liegt sie eher bei 90 Prozent oder gar darüber, dann wird ein gelegentlicher Kollaps immer wahrscheinlicher und der Aufbau einer zweiten oder weiteren Einrichtung ist angesagt.

Wichtig ist, dass Ressourcen, die verteilt und vernetzt ist, auch rasch isoliert werden können. Dies verhindert den Domino Effekt und ein einzelner Ausfall führt nicht nicht zu einem Totalausfall (Blackout).

Bürokratieabbau

Es ist für die Jugend ein Geschenk, wenn sie einfache, leicht verständliche Strukturen und Prozesse vorfindet, die ihnen nur wenige Hindernisse auf dem Weg ins Leben legen. Es ist leider so, dass an Bürokratieabbau immer wieder erinnert werden muss, denn von selbst wird der Dschungel von Vorschriften nicht weniger, sondern stets nur mehr werden.

Altersvorsorge, die nicht nur auf Generationenvertrag beruht

Ganz ohne Generationenvertrag wird es nicht gehen und es ist ja auch nur sinnvoll, dass die Kinder für die Elterngenerationen mit sorgen, ähnlich wie die Eltern es früher für sie taten. Aber in einer Gesellschaft, die schrumpft und älter wird, wird der Generationenvertrag alleine die Jugend überfordern. Es ist also eine Illusion ausschließlich nur darauf zu bauen. Auch auf private Vorsorge allein zu bauen, ist nicht sinnvoll. Soll also die Jugend optimistisch in die Zukunft sehen können, muss dafür gesorgt werden, dass die Bürger gelassen altern können. Es würde f??r ein dynamisches Europa sogar Sinn machen, dazu Pensionskassen für den Euroraum anzustreben.

Stabile Währung und Finanzsysteme

Will man Werte einfach über lange Zeiträume erhalten, geht daran kein Weg vorbei. Gelingt dies nicht, dann blühen Tauschhandel, Schwarzarbeit und Flucht in Sachwerte, die alle schlecht für die staatliche Macht sind. Sie öffnen dann das Tor für Ersatzstrukturen, wie die Mafia, die alle kein gutes Fundament für eine gelungene Zukunft sind.

Vertrauenswürdige Medien

Die Geschichte hat gelehrt, dass die Qualität der Medien, ähnlich wie jede andere Bildung, eine wichtigen Beitrag zum Wohlstand leisten kann. Die Medienlandschaft, die ich heute sehe, erfüllt meine Erwartungen überwiegend nicht. Meine Kritik dazu findet man ausführlich hier.

Sollen Demokratien funktionieren, dann benötigen sie nicht nur gebildete, sondern auch informierte Bürger und zuverlässige Medien. Es scheint mir daher eine wichtige Zukunftsaufgabe zu sein, dass zumindest Nachrichten vertrauenswürdig vermittelt und dokumentiert werden. Dazu kommt auch noch Wissensvermittlung in den Bereichen Wirtschaft, Technik, Gesundheit, Fremdsprachen und Frieden, an deren Nichtwissen unser Kontinent stark leidet.

Nachhaltigkeit

Sie ist leicht zu formulieren, für mich etwa „Verlasse die Erde so oder besser, als du sie vorgefunden hast“ oder „Ernte nicht mehr, als wieder nachwächst“ oder „Verändere die Welt nicht“ und „Hinterlasse keinen Müll“. Soll sie aber als ein nützliches Instrument gelten, dass muss sie quantifiziert werden, z.B. kein Bevölkerungswachstum. Dies wäre sicherlich der wichtigste Schritt in eine bessere Zukunft und er ist auch machbar, wie das erfolgreiche Beispiel China gezeigt hat.

Frieden

Zum Schluss der wirklich allerwichtigste Punkt. Wir müssen den Frieden erhalten, der uns für viele Jahrzehnte begleitet hat. Es bringt wenig, dazu immer wieder alte Kriegsgeschichten aufzuwärmen. Wer nie die Leiden eines Krieges selbst erlebt hat, kann darin nur Werbung für Krieg sehen. Friedensarbeit bedeutet Reisen, Fremdsprachenkenntnisse, internationale Vernetzung, Handel, Erziehung zur Toleranz, aber auch sichere Grenzen und Reduzierung des Einflusses der drei Hauptkriegstreibern unserer Zeit: Religionen, unbewältigte Vergangenheit und Gier.

Ausblick

Ich habe einige Bekannte, die sowohl beruflich, wie auch privat, öfter Ostasien besuchen. Sie kommen mit vielen Bedenken zurück. Werden wir in Europa gegen den schnellen und manchmal auch radikalen Wandel - speziell in China - bestehen können, ist ihre Hauptsorge.

Werden wir in Europa nur noch zum Museum für veraltete Technologien? Lassen wir genügend Raum für Kreativität? Trägt die Bürokratie der EU nur noch zu weiterer Verkrustung bei? Warum bekämpfen wir nicht intensiver die Jugendarbeitslosigkeit? Warum wird so viel subventioniert, was wenig zukunftsfähig ist?

Auch ich habe keine Antworten auf diese wichtigen Fragen, aber ich denke, es ist wichtig, sie immer wieder zu stellen. Ich bin allerdings sehr skeptisch geworden, dass Europa vor lauter Tagesproblemen, die es sich großteils selbst eingebrockt hat, wirklich noch in die Lage kommen wird, beständige Antworten zu finden.

Es ist sicher nicht überraschend, dass eine Anpassung von Fristen hilfreich sein kann. Unsere Vorliebe für die Demokratie beruht ja auch überwiegend darauf, dass sie die Macht einzelner zeitlich begrenzen kann und so für einen gesunden Wechsel sorgt.

Wer immer nur erhalten, retten und schützen auf der Agenda hat, der verspielt die Zukunft. Zukunft bedeutet u.a. Veränderung, Risiken eingehen, ausprobieren und auch scheitern, aber aus den Fehlern rasch lernen. Die soziale Komponente muss deshalb nicht auf der Strecke liegen bleiben. Ein wohlhabender und florierender Kontinent Europa kann dafür ausreichend sorgen. Aber ein kranker Kontinent Europa wird dies nicht schaffen.

Freude zum Schluss

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