Vor einiger Zeit habe ich mit einer langjährigen Tradition gebrochen und habe Weihnachten in Deutschland, zu Hause in Tübingen, verbracht. In den früheren Jahren war ich immer im Ausland, meist in Paris oder Rom. Wie es sich herausgestellt hat, war dies eine kluge Entscheidung, denn dort war es kalt und unfreundlich. Zuhause war das Wetter auch nicht gerade toll, aber da spielt es keine Rolle für mich.
So hatte ich Zeit, einige Weihnachtsgeschichten aufzuschreiben, die ich sonst gerne erzählt habe und die vielleicht nicht nur für die Familie interessant sind.
Ich bin in einer armen Familie aufgewachsen. Es gab zwar immer was zu essen und es war auch meist warm in der Wohnung, weil mein Vater verbilligt Kohlen beziehen konnte, aber sonst war wenig Geld da. Und so war es auch ein Problem, einen Christbaum zu kaufen.
Wie ich wieder einmal als Kind sehnsüchtig am Weihnachtsmarkt den Baumverkäufern zugeschaut habe, kam mir eine Idee. Manche Kunden haben den unteren Teil des Baums abschneiden lassen, weil die Räume dafür zu klein waren und so gab es Äste, die schlecht zu verkaufen waren. Ich habe sie mir abgebettelt, bin damit nach Haus gegangen und habe mit den Ästen und Draht ein baumähnliches Gebilde daraus gebastelt.
Es sah ganz brauchbar aus, hat vor allem wegen der vielen Anschnitte auch gut gerochen, aber die Äste waren etwas ungewöhnlich geformt. Aber es hat gereicht, etwas Schmuck darauf aufzuhängen, vor allem mussten die kleinen Schoko-Likörfläschchen für meinen Vater dabei sein.
Wie wir dann beim Essen waren, es gab wie immer die teuren Bratwürste aus der "Linzer Wurstfabrik", die bei uns nur zu Weihnachten auf den Tisch kamen, dazu Erdäpfelschmarren und das erste, selbstgemachte Sauerkraut, habe ich immer stolz zum Baum geblickt, denn es war mein Baum.
Die Freude währte nicht lange. Wie immer war dann nach dem Essen Kartenspielen angesagt und wie häufig habe ich dabei auch verloren (und dann auch geweint). Aber diese Tränen waren nicht umsonst. Ich bin ein guter Spieler geworden, habe damit sogar auch die Wissenschaft belästigt und später habe ich, wenn ich mit kleinen Kindern gespielt habe, sie gerne absichtlich gewinnen lassen.
Als meine ersten, eigenen Kinder klein waren, kam es zur Scheidung. Während dieser Phase hatte ich vor, meine Kinder zu Weihnachten in Wien zu besuchen, aber einen Tag vor der Reise kam ein Telegramm vom Wiener Jugendamt, dass mein Besuch nicht erwünscht sei. Eigentlich hätte mich dies tief treffen müssen, es gab wirklich keinen Anlass für diese Schikane, aber es war eine gute Lernerfahrung.
Ich habe die schon gekauften Geschenke an die Kinder der Nachbarschaft in Böblingen verschenkt, die hoch erfreut waren, habe das Bahnticket Stuttgart-Wien gegen eines für Stuttgart-Paris umgetauscht, dabei gelernt, dass beide Orte gleich weit weg sind und bin mit dem schon gepackten Koffer am 23.12. nach Paris gefahren.
Für wenig Geld habe ich dann ein abgelegenes Hotel gefunden und habe eine schöne Zeit alleine verbracht. Am 24.12. war ich gut essen, die anderen Abende oft im Theater, tagsüber viel unterwegs. Erst am 6.1. bin ich wieder zurück gekommen, rechtzeitig wieder zur Arbeit.
Wie mich dann die Kollegen gefragt haben, wie Weihnachten war, konnte ich ganz ehrlich sagen: wunderbar! Und ich kann allen nur empfehlen, die an diesem Familienfest erpresst werden, sich nicht erpressen zu lassen. Und Paris ist dann oft bis heute ein Ziel zu Weihnachten geworden.
In meiner Singlezeit in den 70er Jahren war ich in einer Gruppe, die einmal alternative Weihnachten feiern wollte. Wie es dann wirklich zum 24.12. kam, sind aber die meisten abgesprungen, aber wir blieben zu dritt übrig, zwei Männer und eine Frau.
Wir beschlossen das Stuttgarter Bohnenviertel, ein vor der Sanierung nicht gerade einladendes Vergnügungs- und Kneipenviertel dazu zu erkundigen. Es war am Anfang wirklich trostlos. Das meiste war geschlossen, wo der Laden offen war, saßen einige verwirrte Türken herum, die nicht wussten, was Weihnachten ist und warum nichts los war und so zogen wir immer weiter, bis wir zu einer kamen, wo ein neuer Flipper war.
Wir haben zu dritt zu spielen begonnen, aber schon nach kurzer Zeit hat sich der Wirt dazugesellt, der nichts zu tun hatte. Plötzlich kam ihm eine Idee und er sagt, wir bauen das TILT aus. Wer Flipper spielt, weiß, was dies bedeutet. Man kann dann den Flipper so schütteln und bewegen, wie man will und hohe Punktzahlen erreichen..
Damit hat das Flippern eine ganz neue Dimension bekommen. Es wurde so ungestüm gespielt, wie ich das sonst nie mehr konnte. Der Wirt kam immer mehr in Form, hat uns freigehalten und wie wir gegangen sind, hat er glücklich gesagt: Das war das schönste Weihnachten, was ich je hatte.
Wie sind auch glücklich nach Haus gegangen und wie es sich für das Fest der Liebe gehört, kam auch diese am Heiligen Abend nicht zu kurz.
Mit einer meiner Partnerinnen habe ich anfangs Weihnachten immer in ihrer Familie gefeiert. Da sie kinderlos war, hat sie gerne die Kinder ihrer Geschwister um sich gehabt.
Leider waren die Themen in dieser Familie sehr beschränkt: es ging nur um Fußball, Politik und Familienprobleme. Alles Themen, wo man leicht ins Streiten kam und wenn dann genügend Alkohol geflossen war, wurde der Streit unerträglich.
Ich habe mich deshalb schon früh abgeseilt und mit den Kindern Monopoly gespielt, das reicht auch für einen langen Abend. Wie gesagt, ich lasse Kinder gerne gewinnen, damit sie den Spass am Spiel nicht verlieren. Da kam dann nach einiger Zeit ein anderer Schwager dazu, der ein radikaler, linker Lehrer war und stets gegen den Rest der Familie gemobbt hat, weil diese in seinen Augen zu gut versorgt war. Und was tut dieser Lehrer? Er betrügt laufend die Kinder. Ich traue meinen Augen nicht, ein Linker, ein Lehrer, ein Antikapitalist wie er im Buche steht und er betrügt kleine Kinder, nur damit er sich beim Monopoly bereichern kann.!
Das war schon in den 70er Jahren ein frühes Zeichen, dass der Kommunismus von innen heraus zusammenbrechen wird. Die Menschen sind einfach nicht für ihn geschaffen.
Gegen Ende der 70er Jahre hatte ich die Familienweihnachtsfeiern satt und mich geweigert, nochmals daran teilzunehmen. Und damit keine Diskussion aufkommt, habe ich einfach zwei Flüge nach Rom und ein gutes Hotel gebucht und überall freudig erzählt, dass wir eine Reise nach Rom gewonnen hätten. Damit war alles klar und es gab keine weitere Diskussion.
Wir sind dann auch am 24.12. nach Rom geflogen und wollten gleich am Abend gut essen gehen. Da zu dieser Zeit bei uns schon Wohlstand war, sind wir einfach ins Taxi gestiegen und haben uns um etwa 19h in ein prominentes Restaurant an der Piazza Navone fahren lassen. Den Namen nenne ich hier nicht, aber er steht heute oft in der Zeitung, wenn dort die Touristen geneppt werden.
Wir gehen die kleine Treppe in das Restaurant hinunter und es ist gähnend leer. Nur ganz hinten saß ein dicker Mann und hatte uns angeschaut. Wie in Italien in den Restaurants üblich, haben wir uns vom Ober setzen lassen, neben dem einzigen Gast, weil er auch deutsch spricht.
Das sollte mein Leben verändern. Der Genießer war ein Prominenter aus Wien (den ich aber aus meiner Wiener Zeit nicht mehr kannte) und er hatte uns gleich in sein Herz geschlossen, vor allem meine wirklich attraktive Partnerin. Er würde jedes Jahr Weihnachten in Rom verbringen und dort alle guten Restaurants abklappern. Bereitwillig hat er uns dann seine Liste der Empfehlungen gegeben und was lag näher, als in den nächsten Tagen diese auszuprobieren. Die Tipps waren ausnahmslos gut und aktuell.
Ihm verdanke ich, dass ich später auch alleine oder in Begleitung meines Sohns oft Weihnachten Rom verbracht habe. Und es war immer schön und das Essen war meist vorzüglich. Zu Weihnachten ist auch der Vatikan eine Attraktion. Es ist viel los, aber er ist nicht - wie zu Ostern - überlaufen. Besonders zu empfehlen ist der päpstliche Segen "Urbi et orbi" live am 25.12. auf dem Petersplatz. Diese fröhliche Stimmung kann man kaum schildern. Wer nicht weiß, wie man schöne Tage im Winter, abseits des Gesinnungsterrors in Deutschland durch Kirchen ("Komm zu uns") und Kaufhäusern ("Kauf bei uns") verbringen kann, Rom ist eine Empfehlung wert.
Für Singles ist Weihnachten keine gute Zeit, wie die Notfallärzte wissen. Diese ständigen Feiern, wenn man dazu wenig Lust hat, sie nagen an der Seele, vor allem wenn sie ohnehin schon instabil ist.
Ich habe leider dies auch in meinem Umfeld erlebt. Eine ganz tolle deutsche Sekretärin war unglücklich in einen Amerikaner verliebt, aber er wollte sie nicht heiraten, weil die Mutter dagegen war. Und so hat sie sich vor Weihnachten bei mir ausgeweint, aber ich konnte ihr nicht wirklich helfen, außer mir die ganze Geschichte immer wieder anzuhören.
Leider kam es so, wie es zu erwarten war. Sie hat mit Tabletten versucht, sich das Leben zu nehmen. Aber wie bei Frauen oft üblich, wurde sie rechtzeitig gerettet und hat dann eine lange Karenzzeit genommen.
Der Mann hat diese Botschaft verstanden und sie auch bald geheiratet. Ob dies tatsächlich ein Happy End war, weiß ich nicht. Ich habe nach beiden gegoogelt, aber keine eindeutigen Spuren entdeckt.
Mein Rat aus dieser Story, die auch zu Weihnachten gehört. Verbringt als Single den Heiligen Abend wie einen ganz normalen, fröhlichen Abend. Schaltet kein Fernsehen ein, besucht keine heilen Familien, geht nicht in die Gottesdienste, sondern vergnügt euch mit gutem Essen, mit guter Musik, einem guten Buch, Videos aus dem Internet (z.B. TED) oder einem Spaziergang. Oder, wenn ihr könnt, verreist. Weihnachten verliert dann garantiert seinen Schrecken.
Mein Sohn wurde zu Weihnachten 1994 geboren. Eigentlich war der 27.12. das errechnete Datum, aber wie das bei jedem anderen Naturprodukt üblich, gibt es Abweichungen. Ich war auf Dienstreise in Kalifornien, meine Frau hochschwanger zu Hause in Greenwich, Connecticut.
Da erreicht mich ein Anruf, ich soll sofort zurückkommen, die Fruchtblase wäre bereits geplatzt. Ich, zusammen mit meiner schon erwachsenen Tochter aus einer früheren Ehe, die mit mir verreist war, sofort ins Flugzeug und zurück über den ganzen Kontinent nach La Guardia an die Ostküste. Dann mit dem Auto nach Greenwich, zurück in die Wohnung und gleich ins Hospital. Aber kaum waren wir dort, haben die Wehen wieder nachgelassen und es wurde eine lange Nacht, bis die Geburt am 19.12. endlich vorbei war.
Mir werden die Worte des Arztes danach nicht aus den Ohren gehen: "It' s a boy and he is fine". Dies war einer glücklichsten Augenblicke meines Lebens. Wer meine Geschichte im Detail kennt, weiß warum.
Der Arzt hat noch gemeckert, dass ich sein Hannukah Fest versaut hätte, aber das war dann alles egal und ich bin nur noch nach Hause und habe erschöpft tief geschlafen.
Das Hospital hat Mutter und Kind am 23.12. entlassen und so haben wir ein richtiges, lebendiges Christkindl gehabt. Inzwischen ist es schon lange erwachsen und es ist immer noch "fine".
Ende der achtziger Jahre habe ich mit Familie meine alte Mutter in Linz besucht. War es die ungewöhnlich kalte Wohnung oder etwas anders, plötzlich hat der kleine Sohn am 24.12. starke Ohrenschmerzen gehabt. Ich bin sofort in Linz ins Spital und die wollten ihn auch gleich operieren. Aber das wäre ein großes Problem geworden, weil ich nicht solange dableiben konnte, und so haben sie ihn ambulant gegen die Schmerzen behandelt und die Klinik in Tübingen informiert, dass er noch am gleichen Tag dort operiert werden kann.
Ich bin mit dem Auto, übrigens mit Polizeischutz, weil wegen der Feiertage viel in der Stadt gesperrt war, in die nächste Apotheke, um dort dort weitere Medizin für die Reise zu kaufen und dann ab zurück von Linz nach Tübingen.
Ich hatte zu dieser Zeit, weil ich viel dienstlich unterwegs war, ein großes, komfortables und auch schnelles Auto und so war es kein großer Aufwand zurückzukommen. Was mich aber auf dieser Fahrt beeindruckt hat, das war die Leere der Autobahn am Heiligen Abend. Kaum ein Mensch unterwegs, man konnte auf der A3 minutenlang fahren, ohne dass ein Auto entgegengekommen ist. Überholt hat uns sowieso keiner.
Um 23h waren wir in Tübingen, sind sofort in die Klinik, aber nach kurzer Untersuchung kam das Ärzteteam, das schon für die Operation bereit stand, zum Schluß: es geht auch ohne Operation. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk hätte ich mir kaum vorstellen können.
Weihnachten 2010 habe ich als Gast in einer Reha Klinik gefeiert. Die genaueren Umstände dazu kann man auf einer anderen Seite nachlesen. Die Feierlichkeiten dort haben mir ausnehmend gut gefallen. Waren es die Freude über den Fortschritt der Genesung, die Freude über die baldige Entlassung oder die große Herzlichkeit des Personals, in einem kurzen Bericht dazu habe ich alle Details überschwänglich gelobt.
Und dann kam es zu einer Reaktion, die ich weder beachsichtigt, noch erwartet habe. Menschen, die keinerlei Bezug zur Klinik hatten, haben sich gemeldet und wollten die nächsten Feiertage auch dort feiern. Darauf war die Klinik natürlich nicht vorbereitet und ich habe den Text dazu auch gleich gelöscht, um keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen.
Aber nach einiger zeitlicher Distanz frage ich mich, ob es nicht doch eine gute Idee gewesen wäre, solche Einrichtungen, die ohnehin rund um die Uhr Bereitschaft haben, für einsame Menschen, die menschliche Kontakte suchen, zu öffnen.
Für die Patienten in den Kliniken wäre es natürlich am schönsten, wenn sie die Feiertage zuhause verbringen könnten, aber wenn dies nicht geht, warum sollte man nicht mit anderen Gästen gemeinsam feiern?
Wie das genau ablaufen sollte, kann ich nicht sagen, aber vielleicht greift jemand diese Idee auf (oder hat sie sogar schon implementiert). Bedarf dafür gibt es ganz offensichtlich!