Als eine Landes-Spitzenpolitikern nach ihrer überraschenden Abwahl gefragt wurde, was sie denn jetzt am meisten vermisst, hat sie gesagt: "Transportation und Information. Alles ist auf einen zugeschnitten. Man kriegt alle Informationen und wird überall hingefahren. Man steht im Mittelpunkt, liest seinen Namen in der Zeitung. Und all das fällt dann plötzlich weg."
Auch Top-Manager der Industrie haben das gleiche Problem, wenn sie entlassen werden. Der plötzliche Machtverlust wird begleitet von dem Verlust der Infrastruktur, die sich früher um sie gekümmert haben und das schmerzt besonders. Anfangs am schwierigsten ist der Verlust des Reisedienstes. Plötzlich muss man selbst die Flüge buchen, selbst am Steuer sitzen oder lernen, selbst wieder Tickets für die Bahn zu erstehen.
Als ich einmal längere Zeit in einer Reha Klinik zugebracht habe, habe ich dort viel mit den Patienten geredet und auch dabei kam das Thema zur Sprache, was sie denn am meisten vermissen. Für mich am interessantesten war die Aussage: den ganz normalen Alltag. Auf der Terrasse sitzen und dort Kaffee trinken, im Garten arbeiten, die Blumen gießen. All diese Tätigkeiten, die für die Patienten in ihrer Situation zumindest vorübergehend, in manchen Fällen auch dauerhaft, nicht mehr möglich waren, wurden besonders vermisst.
Das satte Rasengrün nach einer
längeren Regenperiode
Ich bin ja einige Male ausgewandert und wurde dabei oft von starkem Heimweh geplagt. Es waren vor allem gewohnte Zutaten oder Speisen, die mir am meisten gefehlt haben oder auch vertraute Dinge des Alltags, die plötzlich unerreichbar waren. All diesen Situationen ist gemein, dass wir erst dann erkennen, was wichtig für uns ist, wenn wir es nicht mehr zur Verfügung haben.
Die Vorstellung alleine, etwas nicht mehr zu haben, genügt nicht, um den Wert richtig einzuschätzen. So habe ich mir während meiner Berufstätigkeit oft gedacht, dass ich das ausgezeichnete Kantinenessen sehr vermissen werde. Aber dies war überhaupt nicht der Fall. Ich habe sehr schnell wieder meine alte Liebe zum Kochen entdeckt und die Freude damit hat gar keine Sehnsucht nach dem Essen in der Firma aufkommen lassen.
Für die Befriedigung der Basisbedürfnisse, wird man schnell nach Ersatz suchen müssen und in unserer vielfältigen Gesellschaft auch finden. Aber für besondere Vorlieben, vor allem kultureller oder kulinarischer Art, kann es schwieriger werden und manches scheint man dann für immer aufgeben zu müssen.
Aber ich habe gelernt, dass man dies nicht tun soll: Es ist viel klüger, sich um Ersatz umzusehen, der vielleicht sogar besser ist, als das Original! Also nicht nachtrauern, sondern Lösungen für die Zukunft suchen und finden! Das Motto ist also, nach besserem Ersatz zu suchen, wenn man etwas vermisst!
Dies alles ist natürlich viel leichter gesagt, als getan. Jeder Verlust verursacht auch etwas Trauer, die meist die Initiative lähmt. Und auch manche Versuche, Ersatz oder gar besseres zu finden, werden fehlschlagen. Trotzdem glaube ich, dass es stimmt, dass jede Krise auch eine Chance ist.
Wenn du dich verändern musst, dann suche also nicht nur nach Ersatz, sondern nach einer besseren Lösung! Wenn man jung ist, die Wirtschaft wächst, wenn man wach bleibt und flexibel ist, dann gelingt dies auch relativ leicht, man muss nur auf den Gedanken kommen.
Alte Menschen hingegen wissen, dass es auch Phasen gibt, wo es nur schlechter wird. Aber auch dann kann man wenigstens in Teilbereichen eine Verbesserung anstreben. Auch wenn 9 von 10 Aspekte schlechter werden, vielleicht kann der 10. die anderen Nachteile wenigstens teilweise aufwiegen?
Wer Produkte entwickelt, steht immer vor der Frage: Wie kann ich mein Produkt so verbessern, dass sich ein potenzieller Kunde freiwillig von seinem bewährten trennt und zu meinem neuen überwechselt? Und tatsächlich ist dies bei Computern z.B. so gut gelungen, dass viele neue Generationen entstanden sind, akzeptiert und eingesetzt wurden, obwohl der Wechsel aufwändig war.
Was anderes aber ist der stete Niedergang, weil das alte Produkt nicht mehr einsatzfähig war und es keine Konkurrenz gibt. Mir ist das z.B. mit vielen Digitalkameras passiert, die kaputtgegangen sind. Leider war dann fast jede Nachfolgekamera in ihren optischen Eigenschaften schlechter als ihre Vorgängerin. Hier muss man dann fast in den sauren Apfel beißen und auf neue Chancen warten. Bei den Digitalkameras sind dann nach einer langen Frustphase des Megapixelwahns tatsächlich wieder bessere Produkte nachgekommen.
Verlust durch Veränderung ist eine Sache, aber manches soll einfach - aus irgendwelchen übergeordneten Gründen - verboten werden. Auch hier ist es klug, Ersatz anzubieten, der zwar in den Augen der Betroffenen nicht so gut wie das Original sein mag, aber dennoch tragbar ist.
Denn es ist sehr viel leichter mit einem schlechten Ersatz zu leben, als ganz ohne. Und noch besser ist es, wenn der Ersatz nach kurzer Umstellungszeit sogar besser als das Original erscheint. Wenn also aus der Not eine Tugend gemacht werden kann.
Das kommunistische China unserer Tage hat dies gut erkannt und es hat im Internet nicht nur die für sie gefährlichen Medien wie Google, facebook und Twitter ausgeschlossen, sondern gleich dafür bessere Alternativen für die chinesische Kultur angeboten.
Ob diese Rechnung auch langfristig aufgeht, kann man gerne bezweifeln. Vieles, was man in autoritären Regimes für überwunden geglaubt hat, ist in deren Schwächephasen oder nach deren Ende dann doch wieder auferstanden. Man denke nur das Wiedererstarken der Religionen im lange Zeit atheistisch geprägten Russland.
Grundsätzlich lassen sich Menschen im allgemeinen eben nicht beliebig verändern, sie bleiben, wie sie sind. Vor allem der Verlust von Freiheit ist schlecht verdaubar. Aber die Individuen haben zumindest im Kleinen Gestaltungsfreiheit. Sie können sich oft wirklich verändern, sich anpassen und neue Leben beginnen.
Und so hat ein Topmanager, der unfreiwillig Abschied von der Macht nehmen musste, früher mit Privatjet und Limousinservice weltweit von Termin zu Termin hetzte, mir gestanden, dass er so glücklich ist, jetzt viel zu Fuß gehen zu können und endlich Zeit zu haben. Auch der Rauswurf hatte sein Gutes, er sieht jetzt viel bessere Chancen, tatsächlich alt werden zu können. Das ist doch was!
Statt nur ersetzen, auch verändern.
Statt nur verändern, auch verbessern.
Statt Verbot Ersatz anbieten.
Auch im Niedergang in Teilbereichen Verbesserungen anstreben.
Statt trauern, gestalten.