Gelegentlich gerate ich in hitzige Diskussionen, ob es ein Leben nach dem Tode gibt. Wenn ich daran denke, wie oft ich an Menschen denken muss, die entweder schon verstorben sind oder zumindest aus meinem Leben getreten sind, dann bin ich mir sicher, dass sie in unserer Erinnerung weiterleben.
Nennen wir es nun Tradition, Erziehung, Kultur oder schlicht Erinnerungen, sie begleiten uns ein ganzes Leben lang. Und ich denke es ist auch gut, sich ganz bewusst zu erinnern. Vieles kommt bei mir über Gesten, kleine Tätigkeiten, die mir ganz bewusst frühere Begebenheiten in Erinnerung rufen. Das meiste ist dabei übrigens positiv besetzt, natürlich gibt es auch schlechte Erinnerungen, aber zum Glück vergessen wird diese leicht.
Dabei kommt mir mein Vater in Erinnerung. Er ist meist als letzter zu Bett gegangen und hat dann die Wohnungstür mit dem Schlüssel abgeschlossen. Ich habe als Kind das Geräusch manchmal gehört und war dann sehr beruhigt, dass jetzt die böse Welt draußen ist und ich in Ruhe schlafen kann.
Mein Vater ist schon lange verstorben, aber wenn ich selbst seine Routine übernehme, dann muss ich jedes Mal an ihn denken. Er hat es nicht leicht mit mir gehabt. Ich muss zur Pubertät unausstehlich gewesen sein. Wir haben oft gestritten und zu oft hatte ich Recht. Heute aber, wo ich ihn an Jahren längst überholt habe, ist Friede zwischen uns.
Wie es klar war, dass meine Mutter ein Dauerpflegefall wurde und sie ins Heim musste, habe ich ihre Wohnung aufgelöst. Es war ein schwerer Abschied von all den schönen Dingen, die ihr wichtig waren, aber die sonst niemand mehr in der Familie gebrauchen konnte.
Ich habe mir zwei Gebrauchsgegenstände behalten, die ich oft verwende. Eine kleine Pfanne aus Edelstahl, optimal für Singleportionen und unverwüstlich, sowie ein Trinkglas, das sie von einer Kur mitgebracht hat. Jetzt wo ich auch der Generation angehöre, die nicht genug trinkt, u.a. weil es nicht ausreichend Toiletten gibt, ist das Trinkglas eine Motivation, dies zu verändern. Ich habe immer das Gefühl, meine liebe Mutter selbst schenkt mir das gesunde Wasser ein, wenn ich daraus trinke.
Die meisten Menschen Schälen Bananen von dem Ende weg, wo sie angewachsen sind. Seit ich Heinzi kenne, weiß ich, dass dies falsch ist. Heinzis Vater hat in der "Bananenfabrik" (dem Wiener Freihafen) gearbeitet und seinen Sohn oft mit diesen in unserer Jugend sehr begehrten Südfrüchten versorgt. Und von ihm gelernt, dass man mit einem Messer oder dem Fingernagel die Bananenspitze einschneidet und dann von dort ausgehend die Schalen abzieht. Macht man dies so, dann bleiben die vielen Bitterstreifen in der Schale und die Bananen schmecken viel besser.
Heinzi wurde vor mehr als vier Jahrzehnten mein Trauzeuge, aber bedingt durch die vielen Ortsveränderungen habe ich ihn aus den Augen verloren. Aber sein Bananentrick bringt ihn mir oft in Erinnerung!
Tante Olga, die Schwester meines Vaters, hat sehr gerne Käse gegessen. Am liebsten waren ihr die Stinkerkäse. Unter einer Käseglocke wurden sie aufbewahrt, diese stand immer in ihrem kleinen Häuschen auf der Kellertreppe ganz oben.
Ich habe sie sehr gerne besucht, denn sie war sehr großzügig. Sie hat immer kleine Arbeiten zu tun gehabt und dafür gab es dann reichlich Geld. Heute weiß ich, dass sie damit diskret uns wesentlich ärmeren Verwandten finanziell unter die Arme gegriffen hat.
Ihre Vorliebe für stinkenden Käse habe ich übernommen. Und jedes Mal denke ich an sie, an eine sehr liebe, für manche viel zu laute Frau, wenn ich Quargel, Romadur, Weinkäse oder Achleitner esse. Zum Glück wurde sie sehr alt, Käse und Großzügigkeit scheinen dafür gut zu sein.
Die meisten Menschen werfen diese praktischen Haushaltstücher weg, wenn sie verschmutzt sind. Aber man kann sie perfekt in der Waschmaschine kochen und dann neu verwenden. Ich lasse sie verschmutzt eintrocknen und reinige sie dann alle zusammen in einem eigenen Waschgang. Sie verlieren zwar mit jedem Waschgang etwas an Substanz, aber sie sind noch lange einsetzbar.
Diesen Trick habe ich von einer Hauswirtschafterin, die mein Leben lange begleitet hat. Und jedes Mal, wenn diese Tücher einsetze, kommen einige wenige wehmütige Gedanken an eine kurze, schöne Zeit, aber auch an eine lange, nicht so schöne gemeinsame Zeit auf. Wenn das Vileda wüsste, welche emotionale Rolle diese Tücher spielen können! Letzten Endes gab es sogar ein Happy End in dieser Beziehung.
Beides sind persönliche Gegenstände, die anzeigen, dass die dazugehörigen Menschen nicht allzu weit weg sind. So freue ich mich, wenn ich die Schuhe meines Sohnes vor der Haustür sehe, denn dann weiß ich, er ist Zuhause, auch wenn ich ihn selbst nicht antreffe, weil ich ihn nicht stören will. Wie meine Mädchen klein waren, haben sie die Schuhe der ganzen Familie in Reih und Glied aufgestellt und auch ihnen hat dies ein Gefühl der Sicherheit gegeben.
Ich kenne die Fahrräder von allen meinen Freunden und wenn ich eins davon in meiner Stadt sehe, dann weiß ich, sie sind unterwegs. Viele von ihnen haben Stammplätze, wo sie die Räder abstellen. Die Plätze assoziiere ich auch mit meinen Freunden. So bekommt die Stadt eine ganz andere, sehr persönliche, lebendige Sicht.
Er kommt aus Rumänien und wird gerne von Volkstanzgruppen und Senioren getanzt. Die Musik, gemeinsam mit der Schrittfolge, fördert bei mir traurige Erinnerungen. Es ist interessant, wie schnell und sicher dies (zumindest bei mir) wirkt. Ich denke, Menschen, die mit anderen Trauer verarbeiten müssen, werden vielleicht für diesen Tipp dankbar sein.
Fencheltee (aus Fenchelsamen) wird gerne Babys bei Bauchschmerzen gegeben. Jede Mutter, jeder Vater wird deshalb den Begriff Fenchel mit seinen Kindern verbinden. Ich habe als Koch seit längerem Fenchelknollen als wunderbares Gemüse entdeckt. Es ist so einfach zuzubereiten, sehr bekömmlich, preiswert, passt oft, nicht nur zu Fisch, und erinnert mich an die Zeit, als meine Kinder klein waren.
Von Carl Zuckmayer habe ich die Idee, seine Geistesblitze in kleinen Notizheften (er hat sie Konsumhefte genannt) aufzuschreiben. So geht nichts verloren, was einem einfällt. In der Praxilogie wurde diese Idee von mir verbreitet und aus dem Feedback weiß ich, dass sie auch anderen geholfen hat.
Menschen, die immer ein Netbook dabei haben, brauchen dies vielleicht nicht mehr. Aber ich kann meine Notizen auch während eines Konzertes machen, ohne zu stören. Selbst mit dem Netbook oder Handy geht das nicht so einfach. Zuckmayer, er ist 1977 gestorben, würde sich sehr freuen, wenn er sehen könnte, dass seine Arbeitsmethodik so lange weiterlebt.
Während meiner Berufszeit hatte ich einen Kollegen, der später auch Karriere gemacht hat. Nennen wir ihn einfach RF. RF hat immer versucht, alle Projektdaten auf einer Seite (DIN A4) darzustellen. Dies klingt sehr simpel, hat aber in der Praxis viele positive Effekte. Man muss sich überlegen, was wirklich wichtig ist, man behält die übersicht, man hat wenig Arbeit mit den Updates, man bleibt auf das Wesentliche konzentriert, man kann die Daten leicht überall mitnehmen, mit einem Satz, man kann damit gut managen.
Diese Idee gibt es in vielen Variationen. Ich setze sie selbst im Ruhestand immer noch ein, um damit meine Finanzen zu managen. Bei meinen Internetseiten versuche ich sie ebenfalls durchzuhalten: Immer alles wichtige ganz am Anfang und immer alles auf einer Seite (auch wenn diese Seiten heute viel größer als A4 werden). Danke, RF!