OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Ich habe viele Jahre in einem Laientheater gespielt und das war in vielerlei Hinsicht eine überaus nützliche Erfahrung. Man lernte zu sprechen, sich sicher zu bewegen, sich künstlich aufzuregen, gut zu schmeicheln. Besonders in meiner Tätigkeit als Manager hatte ich dafür häufig Verwendung.

Unsere Gruppe war bekannt und wir hatten bei den wenigen Vorstellungen, die wir gaben, immer volles Haus, was vor allem auch damit zusammenhing, dass es so viele beteiligte Akteure gab, dass alleine deren Familien den Saal schon gefüllt haben.

Aber immerhin hat diese Sindelfinger Volkshochschulgruppe wie ein guter Katalysator für die Region gewirkt und sogar ein späterer Weltstar, der Regisseur von Independence Day, Roland Emmerich, war für kurze Zeit dabei.

Für etwa ein Jahr hat ein New Yorker, der bei unserer Computerfirma gearbeitet hat, so was wie professionelle Regeln eingeführt. Eine davon war: Du musst eine Stunde vor der Vorstellung schon im Haus sein. Genauer gesagt, vor Beginn der Vorstellung! Denn auch wer nur einen Satz in der Schlussszene hatte, musste von Anfang an anwesend sein. Dies machte durchaus Sinn, denn fast bei jeder Vorstellung wurde etwas Neues ausprobiert und dies konnte nur klappen, wenn alle Bescheid wussten.

Ich habe immer schon in meinem Leben versucht pünktlich zu sein, aber dies war auch für mich eine neue Erfahrung. Und sie hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Für Berufe, für die Termine wirklich kritisch sind, wie Juristen, Musiker, Medienleute mag dies trivial klingen, sie kennen alle diese Vorsichtsmaßnahmen, um garantiert pünktlich zu sein, aber ich musste sie alle erst lernen.

Der wichtigste Tipp (neben einer genau gehenden, zuverlässigen Uhr) war: Du kannst nicht planen, genau pünktlich zu sein. Wer dies versucht, den bringt schon die kleinste Änderung in Verzug. Planen kann man nur vorher dazu sein und dann zu warten, bis der Termin beginnt.

In meinem Umfeld war dies sehr untypisch. Denn wer dort überpünktlich war, der hat damit vermuten lassen, dass er zu wenig zu tun hatte. Ich erinnere mich noch an einen Kollegen, der extra Umwege fuhr, nur damit er nicht zu früh da war und dann seine Kollegen sagten: Der Kerl ist nicht ausgelastet.

Die zweitwichtigste Erfahrung war: Sei rechtzeitig schon am Ort, an dem du den Termin hast. Die meisten Verschiebungen kommen durch die Anreise zustande und wer schon da ist, kann deshalb vielen Schwierigkeiten aus dem Wege gehen.

Ich habe für neue Ziele deshalb immer ein halbe Stunde Suchzeit vorgesehen. Selbst wenn ich das Gebäude und dessen Lage schon kannte, war es überaus hilfreich, dann Zeit zu haben und in Ruhe das Büro oder den Konferenzraum zu suchen und vielleicht auch schon vor der Besprechung die Toilette aufzusuchen oder die Wartezeit für Zweiergespräche zu nutzen.

Bei weit entfernten Zielen bin ich schon am Abend vorher angereist. Auch dies erlaubt, pünktlich zu sein. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang gerne an einen Kollegen, der dies auch generell so machte und schon am Abend vorher nach Nizza fliegen wollte, weil dort am nächsten Morgen eine kritische Abstimmung war. Beim Einchecken am Stuttgarter Flughafen hat er erfahren, dass sein Flug ausfällt. Was hat er gemacht? Er ist zum Leihwagenschalter gegangen, hat sich ins Auto gesetzt, ist die Nacht durchgefahren und am nächsten Morgen um 10h hat er einem großen Plenum dann seine Hand hochgehalten und so seine Position verteidigt.

Wir alle kennen das Sprichwort " Je genauer wir planen, desto härter trifft uns der Zufall!" Wie wahr kann ich nur sagen. Also lieber mehr Zeitpuffer lassen und damit erfolgreicher werden, auch wenn es nicht dem hektischen Zeitgeist entspricht.

Ein anderes Sprichwort sagt: "Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige". Es besagt, dass Pünktlichkeit vor allem auch ein Zeichen von Wertschätzung ausdrückt. Auch dieses wird heute gerne übersehen, selbst wenn der Eindruck für die Betroffenen katastrophal ist. Manche Spitzenpolitiker entschuldigen dies gerne mit Termindruck und sie übersehen dabei die negativen Auswirkungen ihres Verhaltens.

Soll man Kinder zur Pünktlichkeit erziehen? Ja schon, aber nicht mit dem strengen Blick auf die Uhr, sondern durch Rituale, die immer gleich ablaufen. So lernen sie sich natürlich in die Gesellschaft einzufügen, ohne zu viel Unbekümmertheit und Freiheit der Kindheit aufzugeben. Verlangen wir die Disziplin von Erwachsenen zu früh auch von Kindern, so fügen wir ihnen Schaden zu und das soll nicht sein. Denn Pünktlichkeit ist zu wichtig, um den Glauben an sie schon in der Kindheit zu ruinieren.

Freude zum Schluss

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