Ich habe sie so ausgeprägt bisher nur in Tübingen angetroffen. Ihre Symptome sind massive Zumüllung des öffentlichen Raumes mit Stelen aller Art. Anfangs habe ich diese Verirrung der Stadtverwaltung für harmlos gehalten, aber das war leider falsch. Stelen in der Stadt sind nicht nur Hindernisse und gefährliche Unfallverursacher, sie engen auch dauerhaft den Blick und den Geist ein.
Der viel beachtete Radfahrer Zähler. Ein Geschenk des grünen Verkehrsministers Winfried Hermann. Einen Sinn erkennen die meisten darin nicht, ich auch nicht. Kosten für die Allgemeinheit 30.000 Euro, wurde mir gesagt. Am 13. März 2016 sind Landtagswahlen.Das erklärt doch einiges.
Es gibt diese Stelen in verschiedensten Formen, flach, rund, eckig, beleuchtet, blitzend, unbeleuchtet, oft total verdreckt, es gibt sie auch in liegender Form als Betonquader. Die letzteren sind besonders gemein als Radfahrerfallen.
Meine Lieblingsstelen sind die Fußgänger Wegweiser in der Tübinger Innenstadt. Verdreckt, unbeachtet, extrem teuer. Ihr einziger Vorteil ist, dass sie nicht leicht gedreht werden können. Ansonsten ist das nur raus geschmissenes Geld. Ich sehe es daran, dass ich schon zigmal neben der gezeigten gefragt wurde, wo es denn hier zur Altstadt geht.
Dabei müsste man es in Tübingen besser wissen. Schon vor vielen Jahren hat man auf dem großen Klinikgelände Stelen als Wegweiser versucht. An ihnen kann man alle Nachteile gut demonstrieren. Sie sind nur aus der Nähe gut lesbar und da auch nur für maximal 2 Personen. Sie sind extrem anfällig für Vandalismus, zum Verschmieren oder Überkleben muss man sich nicht einmal bücken oder strecken. Ihre Richtungsangaben sind im wesentlichen auf geradeaus, links oder rechts beschränkt. Bei schlechter Sicht sind sie unbrauchbar und sie eignen sich auch bestens als Verstecke für Überfälle, die leider inzwischen auch in Tübingen ein Thema sind. Also kurz gesagt eine ergonomische Katastrophe.
Ihr einziger Vorteil gegenüber Richtungspfeilen (manchmal auch Stecher genannt) ist, dass man sie nicht so leicht verdrehen kann. Wo man die Pfeile dauerhaft einsetzt, gibt es einfaches Gegenmittel dafür. Jeder Pfeil hat eine eindeutige Nummer und bei Vandalismus kann man diese dann leicht melden und ihn korrigieren. Im Bild unten ist es nur ein Provisorium.
Die Krankheitsursache für die Stelenistis ist mir bisher verborgen geblieben. Vielleicht sind sie gerade in Tübingen aus den hier überall aufgestellten Kundenstoppern entstanden. Vielleicht aber sollen sie auch nur ein Abbild und Denkmal für den hochgewachsenen grünen Oberbürgermeister darstellen. Vielleicht aber sollen sie auch die senkrechten Bürger einer Universitätsstadt symbolisieren, mit viel Spezialwissen, aber ohne gesunden Menschenverstand. Am wahrscheinlichsten aber, denke ich, war da nur ein findiger Stelenanbieter unterwegs.Bei diesem Bild am Anfang der Neckargasse wird eine Hauptgefahr der Stelen klar. Sie versperren die Sicht. An dieser Stelle ist es schon zu Unfällen gekommen, weil das Ende der Fußgängerzone nicht mehr deutlich zu erkennen ist und Ortsfremde unvorsichtig auf die vielbefahrene Straße weitergehen.
Eine weitere Folge der Zumüllung mit untauglichen Stadtmöbeln ist, dass sie weiteren Müll anzieht und Vandalismus aktiviert, hier am Beispiel der Mühlstraße in Tübingen.
Eine der sündteuren Stelen für die Autofahrer. Ich habe sie übrigens noch nie blitzen sehen, obwohl ich da oft vorbei gehe. Eine Attrappe hätte also auch gereicht. Aber es ist keine Attrappe, erst vor kurzem wurde sie gewartet und da habe ich einen Blick ins Innenleben machen können.
Zum weiteren gefährlichen Müll gehören auch die Blinkwarungen für Raser, also jemand, der hier 40 (wie überall sonst) statt 30 km/h fährt. An dieser Stelle ist ein Rollerfahrer vor lauter Schreck schwer gestürzt. Inzwischen existiert dieser Unsinn dort nicht mehr.
Auch den massiven Litfaßsäulen stehe ich inzwischen skeptisch gegenüber. Da in Tübingen ohnehin jeder Flecken zum freien Plakatieren kommerzialisiert wurde, haben sie ihren früheren Charme und Sinn verloren. Und sie werden kaum noch beachtet. Heute sind sie nur noch massive Hindernisse für den Verkehr.
Richtig Sinn machen Stelen dort, wo man sie nicht als Wegweiser, sondern als doppelseitig sichtbare Anzeigen einsetzt, wie am Busbahnhof, wo sie auch gut beleuchtet werden können.
Und auch als Briefkasten sehe ich Stelen gerne.
Ich habe mich oft gefragt, warum die unzähligen Parksäulen nicht öfter beschädigt werden. Bei den oft unanständigen Gebühren (z.B. 4 Euro für max 2 Stunden in der Silcherstraße) würde man doch mehr Aggression erwarten. Vor allem wo man gleich daneben beim Kupferbau und in der Gmelinstraße an Wochenenden gratis parken kann. Einer der Gründe ist sicher, dass sie regelmäßig geleert werden müssen und - weil sie eine große Einnahmequelle darstellen - auch zuverlässig gewartet werden. Und sicherlich haben viele Besucher Tübingens ohnehin schon resigniert oder bleiben lieber ganz weg.
Die Stelenitis wird weiter in Tübingen blühen. Genau so wie die Kundenstopper. Die nächsten Projekte sind schon in Vorbereitung.
Und niemand denkt dabei an die Probleme der Sehbehinderten und Blinden, oder an Menschen mit Rollatoren oder einem Kinderwagen, die durch diesen Wirrwarr durchfinden müssen. Und die dadurch bedingten Unfälle werden einfach ignoriert. Es ist noch viel Raum für Unsinn in den Hirnen der Stadt..
Noch ein kleiner Blick in die fernere Zukunft gefällig?
Nahezu alle heutigen Personenleitsysteme werden durch das Handy und Displays ersetzt. Schon heute blickt kein Studierender mehr in einen
Stadtplan, sondern zieht das Handy zu Rate.
Fast alle Straßenschilder werden durch ein funktionierenes, dynamisches Verkehrsleitsystem ersetzt.
Deutliche Bodenmarkierungen werden in Zukunft wichtiger werden.
Wenige Ampeln werden reichen, den Verkehr zu steuern.
Auch die Busvorrangsschaltung wird dadurch überflüssig.
Elektromobilität und selbstfahrende Autos werden auch in Tübingen Einzug halten.
Die innerstädtische Stadtbahn ist als Irrweg von der Agenda verschwunden.