Wer zu diesem Thema nachlesen will, auf https://de.wikipedia.org/wiki/Recycling ist eine ziemlich umfassende Darstellung aller technischen Aspekte. Hier schreibe ich eher persönliche Erfahrungen dazu, die auch etwas über das Kernthema hinausgehen.
Ich habe alle Phasen des Recyclings wirklich selbst erlebt. Beginnend vom eigenen Ofen, in dem man alles verbrannt hat und die kalte Wohnung geheizt hat und sogar im Winter die Asche noch zum Streuen verwendet hat, bis zu einer Müllkippe und zu Fernheizwerken, wo auch Müll verbrannt wird. Mülltrennung und Metallsammler. Alle Arten von Gebraucht- oder Secondhandshops, Warentauschtage, Garage Sales, Flohmärkte. Mit einem Wort, das Thema hat mich interessiert und es war immer präsent für mich.
Ich gestehe, Umweltfragen, wie Nachhaltigkeit, waren anfangs für mich weniger wichtig. Mir hatten es einfach die Wertstoffe angetan. Warum sollte man Rohstoffe, die man mühsam gewonnen hat, einfach wieder vergraben oder Materialien, die noch brauchbar waren, verbrennen? Dazu waren sie zu wertvoll!
Meine Eltern waren gute Vorbilder. Mein Vater hat aus Lederresten wunderbare Einkaufstaschen gemacht, meine Mutter aus Stoffresten Streifen geschnitten, die dann zu Teppichen gewebt wurden. Beides gute Beispiele fürs Upcycling, wie man dies heute besser nennt. Selbstverständlich wurde alles geflickt und aus Essensresten wurden neue, leckere Speisen gezaubert.
Viel später kamen weitere Gedanken dazu, nämlich wie man Wissen, Freude und Unterhaltung nicht nur bewahren, sondern auch weiter und wieder verwerten kann. Auch hier fand ich es einfach schade, dass es so schwierig bis unmöglich war, diese Werte frei zu nutzen. Mehr dazu am Ende dieser Seite.
Da ich ein kleines Gärtchen habe, das in einer großen Friedhofsgärtnerei liegt, wurde ich mit allen Arten der Wiedergewinnung von Erde vertraut. Die Profis kompostieren und kochen dann die Erde, damit die Keimlinge abgetötet werden.
Ich habe für unseren Biomüll eine andere Methode ausprobiert, auf die ich sehr stolz bin. Ich lasse den Biomüll verfaulen und vergrabe ihn. Klingt grauslich, ist es aber nicht. Auf ihm wachsen die besten Kürbisse und für mich ist es perfektes Recycling, mit minimalem Aufwand und fast ohne Kosten, allerdings nicht überall einsetzbar. Wer sich für die Details interessiert, schickt mir eine E-Mail.
Es wird gelegentlich argumentiert, dass wir die schnellen Produktzyklen brauchen, um den Kapitalismus am funktionieren zu erhalten. Aber das glaube ich nicht. Es gibt immer noch viele Menschen, die auch mit etwas älteren Produkten, solange sie funktionieren und repariert werden können, sehr zufrieden sind und damit produktiv sein können. Und das ist die Quintessenz des Kapitalismus: Produktiver zu werden, mit Hilfe von Technik!
Bis auf mein erstes Auto, das tatsächlich auf dem Schrottplatz gelandet ist, haben alle meine späteren neue Besitzer gefunden. Eins hat es sogar bis Marokko geschafft. Die lange Liste meiner Rechner ist wahrscheinlich in einem Entwicklungsland gelandet, wo man sich früh auf Refurbishing eingestellt hat. Auch alte Handys fanden glückliche Abnehmer, wenn ich sie verschenkt habe. CDs, die ich sorgfältig ausgewählt habe, fanden neue Liebhaber, auch in der eigenen Familie.
Nur Bücher sind leider zu oft im Altpapier gelandet. Es gibt einfach zu viele davon und immer weniger Leser. Auch viele Antiquariate lehnen es heute ab, Bestseller, die in riesigen Auflagen erschienen sind, noch anzunehmen. Desto mehr freut es mich, dass das amerikanische Konzept der Beach Libraries auch inzwischen bei uns Nachahmer findet. Das sind Plätze, wo man (anonym) Bücher tauschen oder nur abgeben oder nur abholen kann. Und es gibt auch immer mehr Reseller, die auch mit Cent Beträgen noch Geschäfte machen und so die Kulturgüter am Leben erhalten.
Der Hunger nach neuen Rohstoffquellen hat neue Arten der Verwertung geschaffen. Urban Mining ist eine davon. So bekommt man auch aus dem irgendwann nicht mehr vermeidbaren Elektro- und Elektronikschrott doch noch alles kostbare wieder heraus, was man vorher hineingebaut hat. Am wichtigsten sind dabei Kupfer, Gold, Silber und Palladium, aber bis zu 60 weitere Stoffe können gewonnen werden. Und die Ausbeute ist enorm. In einer Tonne Elektronikschrott ist soviel Gold, wie in 100 Tonnen goldhaltigem Erz!
Der Online Handel, mit seinen detaillierten Bewertungsmechanismen hat dafür gesorgt, dass Firmen, die Produkte nur für die Garantiezeit (von zwei Jahren) entworfen haben, massive Imageprobleme bekommen und sie so diesen Unsinn früher oder später abstellen müssen.
Ich habe u.a. Nachrichtentechnik studiert, war aber nie ein ausgesprochene Radio- oder Elektronikbastler, wie die meisten meiner Kollegen. Also habe ich mir für ein Pflichtpraktikum eine einfache, aber kritische Aufgabe ausgesucht, nämlich ein Netzgerät für eine Satellitenempfangsstation, die Bilder von einem Wettersatelliten empfängt. Die Materialien dazu sind simpel, u.a. ein Trafo, ein Gleichrichter und ein Elko (Elektrolytkondensator, ein Bauteil, das Gleich- von Wechselstrom trennt). Bevor ich diese zusammen gelötet habe, habe ich mich in einer Werkstätte erkundigt, was denn am häufigsten kaputt geht, denn mein Ehrgeiz war, ein wirklich langfristig gutes Netzteil für dieses prominente Gerät zu bauen. Es war der Elko. Also habe ich den teuersten eingebaut und er hat tatsächlich lange genug gehalten. Das war vor 50 Jahren. Aber wenn ich heute lesen muss, weshalb moderne Elektroprodukte so schnell zugrunde gehen, dann ist immer noch der Elko! Fortschritt habe ich mir anders vorgestellt!
Yellowknife ist eine isolierte Stadt am Sklavensee im Nordwesten Kanadas. Jeder Transport dorthin ist teuer. Es ist also wichtig, mit den Ressourcen gut umzugehen. Und da es Platz genug gibt, hat man eine große Müllkippe eingerichtet, die immer offen ist und wo Menschen alles abladen können, was sie nicht mehr selbst brauchen. Und auch alles wieder mitnehmen und weiter verwerten können. Und so wird die Müllkippe zum Materiallager, das sich großer Beliebtheit erfreut. Auch dies ein Konzept, das nicht überall anwendbar ist, aber doch zum Nachdenken und Nachmachen anregt.
Es gibt eine oft vernachlässigte Vorstufe zum Recyclen, das ist die Wartung. Sie verlängert die Lebenszeit von realen Produkten enorm. Aber auch Gedankengebilde brauchen eine Wartung, sollen sie länger bestehen. Gerade komplexe Gebilde sind ohne Wartung zum frühen Scheitern verurteilt. Ich erwarte für die Zukunft große Probleme, wenn Menschen oder Staaten, die über viel Geld verfügen und sich damit solche Gebilde kaufen können, wie zum Beispiel Hochhäuser, oder U-Bahnen, aber nicht selbst das Know-How dazu haben, sie auch fachmännisch zu warten. Wie pflegte ein Freund mir zu berichten, der lange im reichen Nahen Osten dies beobachtet hat: Alles auf Sand gebaut!
Auch Wikipedia wird ein Wartungsproblem haben, oder hat es vielleicht schon. Allerdings wäre dort das Problem einfach zu lösen, wenn man einige Prinzipien aufgeben würde. Ich werde es einfach abwarten.
Ein wesentlicher Vorteil der Wartung ist, dass man dabei viel über das Produkt lernt, um das man sich kümmert. Und wenn man erst mal verstanden hat, warum es so funktioniert, dann kann man auch leichter den Grund finden, sollte es nicht mehr funktionieren. Durch Wartung entsteht eine Beziehung!
Ich mochte früher diese kleinen Läden sehr, wo man zuschauen konnte, wie Kleidung angepasst wurde, bewährte Schuhe neue, oft sogar bessere Sohlen als im Original, bekommen haben, Schlüssel sich fortgepflanzt haben. Aber sie sterben wieder aus, zumindest bei uns. Das Geschäft trägt sich nicht, wie man so schön sagt.
Wer jung ist, lernt heute eher wieder, viel selbst zu machen. Die Werkzeuge sind besser und billiger geworden, das Internet liefert sie nicht nur, sondern es (speziell Youtube) zeigt auch genau, wie es geht. Aldi bietet sogar jetzt wieder Nähmaschinen an, sehe ich in einer aktuellen Werbung. Würde ich besser sehen, ich wäre beim Nähen gleich wieder dabei.
Es ist befriedigend, wenn man sich selbst helfen kann. Und oft ist es auch überraschend einfach. So habe ich mal einem Fachmann zugeschaut, wie er alte Rechner repariert hat. Platine raus, andere Platine rein, solange bis er wieder funktioniert hat.
Ich mag diese Filme, wo ein Fachmann (der letzte seiner Art) erklärt, wie man ein Meisterstück in seinem aussterbenden Beruf macht. Sie sind inspirierend und sie helfen vielleicht, dass Reparieren mehr ist, als nur flicken und retten.
Außer für teure Produkte (wie Autos, Schmuck), in Nischen und dort vielleicht auch nur als Nebenerwerb, wird das professionelle Reparieren allerdings einen schweren Stand haben.
Nun zu einer ganz anderen Facette von Recycling, nämlich zu Recycling von Wissen und Können. Mit jedem alten Menschen, der stirbt, geht auch viel von seinem Wissen und seiner Erfahrung verloren. Nun könnte man argumentieren, was wichtig ist, bleibt als Kulturgut erhalten. Als Buch oder anderes Medium dokumentiert, oder auch als undokumentiertes Wissen, das mündlich oder durch Nachahmung weitergegeben wird. In Familien, wo noch mehrere Generationen zusammen wohnen, geht das. Aber wie viele gibt es noch davon? Und wer erzählt schon gerne von seinen Fehlern, oft die Hauptquelle alles Lernens?
Ich habe lebenslang sehr viel vom Wissen alter Menschen profitiert. Schon in jungen Jahren, wo ich in ihnen meine Großeltern gesucht, die ich nie kennen lernen konnte, bis heute, wo ich von ihnen Input für www.seniorenfreundlich.de bekomme. Wer diesen Text in jungen Jahren liest, es gibt ein Geheimrezept: Man hört ihnen einfach zu! Und versucht zu verstehen, was sie gelernt haben, was sie bewegt hat, welche Fehler sie gemacht haben, warum sie so oder nicht anders entschieden haben.
Dies alles kostet Zeit und nicht immer wird die Ausbeute ergiebig sein. Dennoch, versucht es doch. Und mit jedem Gespräch wird die eigene Erfahrung wachsen.
Sie sind wahre Fundgruben für Wissen, wenn sie gut erklären. Besonders gut ist das Wissen zu nutzen, wenn man es über das Internet abrufen kann. Wenn sie von der Öffentlichen Hand finanziert sind, sollte dies auch kein Problem sein. Meist ist die vom Internet geschaffene Öffentlichkeit besonders hilfreiche Werbung. Und wem etwas gefällt, der schaut es sich auch gerne später dann im Original an.
Wir im reichen Deutschland neigen aber dazu, zu viele Erinnerungen zu behalten. Mein Eindruck ist, mehr aus Verlegenheit, als aus Bedürfnis oder gar Notwendigkeit. Die Balance zwischen erhalten und verändern muss gewahrt bleiben. Sonst erscheinen wir für unsere Besucher nur noch als Museum. Das würde unserem Land nicht gerecht werden.
In Museen mit mechanischen Geräten (Maschinen, Uhren zum Beispiel) kann man die Wirkungsweise relativ leicht nachvollziehen. Dies geht bei elektronischen Produkten nicht mehr und das Wissen, das in ihnen steckt, wird man - bedingt durch Miniaturisieren - später nie wieder nachbauen können, im Gegensatz zu den mechanischen früherer Zeiten.
Software hingegen, wenn man den Quellcode noch lesen kannte, ist perfekt zu recyclen. Es ist wesentlich einfacher und sicherer Software zu portieren oder zu emulieren, als sie neu zu schreiben.
Wenn gedruckter Text nicht übersetzt wird, dann kann er nur in seinem Sprachraum genutzt werden. Es ist zum Glück heute sehr einfach geworden, simple Texte zumindest ins Englische zu übersetzen. Damit erweitert man den Sprachraum enorm, mit relativ wenig Aufwand.
Ich wundere mich oft, dass man dies nicht nützt, um aktuelle Nachrichten zu transportieren. Wer sich heute global über Europa informieren will, der muss auf britische Medien zurückgreifen. Besonders wir in Deutschland wären aber besser beraten, Nachrichten mit besserem Standard in Englisch bereit zu stellen. Selbst dieses einfache Problem wird nicht in Angriff genommen.
Noch kritischer ist dies für die Europäische Union, die bisher kaum authentische, internationale Nachrichten in Englisch hat. Dies öffnet die Tür zu Propaganda und Desinformation. Die kleine Schweiz (kein EU Land, aber in Europa) hat dies verstanden und stellt auch entsprechende Nachrichten in 10 Sprachen www.swissinfo.ch zur Verfügung.
Wenn man ganz abstrakt die Erfolgsfaktoren dieser Hightech Region um San Francisco anschaut, dann sind es ganz wenige, die allerdings nicht überall leicht nachzuahmen sind.
Universitäten mit den Schwerpunkten Wirtschaftswissenschaften und Naturwissenschaften, viele Begegnungsmöglichkeiten in Clubs, Bars und Cafes, tolerierter Drogenkonsum, kreative Kunstszene, liberale Politik und wahrscheinlich spielt es auch eine Rolle, dass die ganze Gegend ein sehr unsicheres Erdbebengebiet ist, man also weiß, dass alles Leben auch nur kurz sein kann und man es deshalb besser genießt. Und sicherlich fördert auch der Sonnenschein eine positive Lebensanschauung.
Typisch sind auch eine hohe Flexibilität der Menschen und eine hohe finanzielle Risikobereitschaft. Letzteres ist wahrscheinlich am schwierigsten zu übertragen. Man muss schon sehr viel Geld haben, um es in neue und damit unsichere Projekte zu investieren.
Was aber überall implementierbar ist, das ist der freie Gedankenaustausch zwischen verschiedenen Fachleuten, die nahe zusammenwohnen. Das geht im Dorf genau so wie in der Stadt. Wobei die Stadt nicht nur den Vorteil vieler Menschen hat, sondern auch eine größere Vielfalt.
Wenn es also um Recycling von Wissen geht, dann ist die Kommunikation der entscheidende Faktor. Wobei Medien eher zweitrangig sind. Wichtiger sind Räume, eine offene Kultur des Austauschs, wenig Egoismus, Förderung von Ideen, Ausprobieren, Loben und Unterstützen.
Städte werden deshalb in der Zukunft der Menschheit eine entscheidende Rolle spielen, weil sie dies alles erleichtern können.
Hier noch einmal kurz zusammengefasst, was darunter zu verstehen ist. Materielles - wie Dinge oder Stoffe - wieder zu verwenden, scheint in unserer Gesellschaft kein großes Problem mehr zu sein. Auch kein Imageproblem mehr. Aber was ist mit der Wiederverwendung von anderem? Abschreiben, Kopieren, Cut, copy & paste, Plagiaten (was immer darunter verstanden wird), zitieren, verlinken, imitieren, remixen, samplen, Collagen, um nur einige Begriffe des nichtmateriellen Recyclings zu nennen.
Es wird mir jeder zugestehen, dass dies bisher (Stand 2016) nicht leicht zu beantworten ist. Der Grund sind die nahezu unendlich vielen, komplexen Schutzgesetze zu diesem Thema. Und sie sind nicht nur in jedem Kulturkreis verschieden. Sie haben sich auch im Laufe der Geschichte ständig gewandelt. Wer immer gerade das Sagen hatte, hat versucht den Status Quo zu seinem Gunsten zu ändern oder zu zementieren, ohne Rücksicht darauf, ob es für die Menschheit auch gut ist.
Ich gehe etwas abstrakter an dieses Thema ran. Wenn wir als Menschheit überleben wollen, müssen wir schneller lernen. Das heißt auch, uns schneller anzupassen oder zu verändern. Und dies geht nur, wenn wir möglichst viel Schutz abschaffen und jede, sinnvolle Form des immateriellen Recyclings erlauben. Zumindest sollten wir mehr überlegen, was, wie lange und wie zu schützen ist.
Ich habe nicht nur viel dazu geschrieben, sondern bin auch ein lebendes Beispiel dafür, dass dies auch klappen kann. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich mit Bücher schreiben ohnhin nichts verdiene, habe ich sie alle (und auch alle Internetseiten) freigegeben. Und tatsächlich hat sich jemand gefunden, der zumindest eines nachgedruckt hat. Und so meinen Grundauftrag - das Wissen weiter zu geben - unterstützt hat.
Ich will das hier nicht weiter ausbreiten, denn damit kommt man schnell in den Ruf zur Anarchie aufzurufen. Die Geschichte wird lehren, was besser für die Menschheit ist. Schneller Fortschritt oder ständige Prozesse um Rechte, Patente und so weiter?
Wir sind heute in einem globalen Konkurrenzkampf. Wer freier, schneller und besser ist, wird eher gewinnen. Wer zu viel schützt, verliert auf die Dauer. In einem Minenfeld kann sich keiner mehr bewegen, auch der nicht, der die Minen gelegt hat.
Grosch, Google und wie Europa seine Zukunft verspielt
Vermissen, ersetzen, verbessern