OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Sie sind sich zwar in vielem ähnlich, die Österreicher und die Deutschen, aber bei genauerem Hinschauen trennen sie doch Welten. Es wäre deshalb grundfalsch, Österreich als deutsches Bundesland anzusehen, das es nach dem zweiten Weltkrieg nicht geschafft hat, in die Bundesrepublik Deutschland aufgenommen zu werden oder dass es im gemeinsamen Sprachraum des deutschen Internets aufgehen wird. Genau so falsch wäre es auch, die verschiedenen Sprachgruppen der Schweiz den größeren Ländern, die sie umgeben und diese Sprachen sprechen, zuzuordnen.

Ein lange Geschichte, die zwar viele Schnittpunkte mit Deutschland hat, aber heute nur noch kleine Schnittmengen aufweist, hat die Menschen an Donau und Rhein sich verschieden entwickeln lassen. Am ehesten kann man (von der Sprache her) noch den Bayern Nähe zu Österreich zusprechen, zumindest zu Oberösterreich, Salzburg und Tirol. Dies heißt aber nicht, dass sich österreichische und deutsche Bayern gut verstehen würden. Eher im Gegenteil, viele Österreicher fühlen sich in Berlin ausgesprochen wohl.

Österreich ist in seiner Kleinheit ein ausgesprochen vielfältiges Land, mit Dialekten die sich klar unterscheiden und zuordnen lassen, mit wichtigen Minderheiten, die noch aus dem Vielvölkerstaat der Monarchie stammen (Kroatisch, Slowenisch, Ungarisch). Gesprochen wird zwar "Deutsch", aber mit einer Färbung, die bei mir noch nach mehreren Jahrzehnten in Deutschland immer noch heraushörbar ist und mit eigenen Sprachkonstrukten, den Austriazismen.

Kraut - Kohl Konversionstabelle

Österreich Deutschland
Kohl Wirsing
Kraut Kohl, Weißkohl, Kraut
Karfiol Blumenkohl
Kohlsprossen Rosenkohl
Blaukraut Rotkohl

Der große Bruder Deutschland hat etwa zehn mal so viele Bürger wie Österreich, Österreich ist aber nicht ein Zehntel so klein, sondern immerhin fast ein Viertel von Deutschland. Die Bevölkerungsdichten sind daher sehr unterschiedlich, etwa 100 Einwohner pro Quadratkilometer in Österreich, 230 in Deutschland. Man merkt an diesen Zahlen doch, dass Österreich sehr gebirgig ist und damit große Flächen nahezu unbewohnt sind. Der Ballungsraum Wien, auf der anderen Seite, beherbergt mindestens ein Viertel aller Österreicher.

Das BIP ist dies- und jenseits des Inns etwa gleich, die früheren Unterschiede der Armen dort und der Reichen hier, die bei mir noch bewirkt haben, dass ich gerne von Österreich nach Deutschland ausgewandert bin, sind vorbei.

Beide Länder sind in der EU und haben auch dieselbe Währung. Auch die Steckdosen sind gleich. Die Grenzen zwischen Deutschland und Österreich sind offen. Österreich ist als neutrales Land kein Natovollmitglied. Es gilt als eines der sichersten Länder der Welt.

Im gemeinsamen Europa war Deutschland vom Anfang an  dabei, Österreich kam mit großer Verspätung nach, am 1.1.1995. Bis heute gibt es signifikante Teile der Bevölkerung, die dies als einen Fehler ansehen. Ich selbst bin vor 1995 in meine alte Heimat gereist und habe zumindest bei meinen Bekannten und Verwandten versucht, für den EU-Beitritt, der durch eine Volksabstimmung bestätigt werden musste, zu werben. Es ist mir schwer gefallen, dafür nur Sympathie zu bekommen. Nur das Argument, dass man dann einfacher deutsche Autos, vor allem BMWs, kaufen konnte, hat bei einigen wirklich gezählt.

Beide Länder sind Bundesstaaten, aber in ihren politischen Gepflogenheiten zu unterschiedlich, als dass man von einem Land auf das andere schließen könnte. Politische Nachrichten sind in den anderen Staaten nahezu unverständlich. Parteien sind nicht vergleichbar, vor allem die Freiheitlichen in Österreich (oder wie immer sie sich gerade nennen) haben mit den Liberalen der restlichen Welt wenig gemeinsam. Die (katholische) Kirche spielt im Alltag eine große Rolle, etwa vergleichbar zu Bayern. Die politische Landschaft ist stark polarisiert und das Parteibuch ist immer noch wichtig. Viele Jahre wurde Österreich von großen Koalitionen regiert, nicht immer zum Vorteil für das Land. Ein Hauptunterschied ist die Größe Wiens, mit seinem überproportionalen, politischen Einfluss.

Hier wie dort ist der Bundespräsident ein machtloses Staatsoberhaupt, aus gleichen historischen Gründen. In Österreich wird er aber vom Volk gewählt, was ich eher als Nachteil ansehe, denn der Aufwand lohnt sich einfach nicht. Aber was die Repräsentation anbelangt, da sind die Österreicher überlegen: Der österreichische Bundespräsident darf sowohl zu Weihnachten, wie auch zu Neujahr, eine Rede (Ansprache) halten, er wohnt in einem richtigen Schloss (der Hofburg) und seine Ansprachen sind zeitgleich auf YouTube anzuschauen, sogar mit Gebärdendolmetscher.

Der politische Föderalismus ist in Deutschland wesentlich ausgeprägter, in meinen Augen sehr zum Nachteil in einer modernen Welt. Besonders bei der Bildung führt dies in Deutschland zu unerträglichen Zuständen.

Kulturell ist der Föderalismus in Österreich ausgeprägter, Spitzenkultur ist ziemlich gleichmäßig über die Bundesländer verteilt, natürlich auch hier mit Wien als einem großen Zentrum, das noch von der Zeit zeugt, als im Kaiserreich Österreich "die Sonne nicht unterging" (Karl V, 1519 -1556). Die Größe Österreichs war übrigens eher eine Folge glücklicher Heiraten, als erfolgreicher Kriege.


Nun aber mal ganz persönlich, als ein in Deutschland seit 1973 lebender Österreicher habe ich eine eigene Sicht zu der Frage nach den Unterschieden Deutschland - Österreich entwickelt.

Die Deutschen, oder wie man sie in Österreich gerne auch heute noch nennt, die "Piefkes", haben früher meist herablassend auf die "Beutedeutschen" oder neuerdings jetzt "Ösis" genannten Österreicher herabgeschaut. Langsam, blöd, mundfaul, aber nett sind sie, gut schifahren können sie und mit dem Jagatee haben sie auch ein brauchbares Getränk erfunden. Naturburschen, kreative Künstler, gute Musiker (wie Udo Jürgens), Filmschauspieler und Komiker (wie Peter Alexander), aber sonst kann man sie vergessen, keine Fussballmacht, wirtschaftlich und politisch unbedeutend und meist nur lächerlich. Wie soll man ein Land ernst nehmen, in dem das Komma "Beistrich" heißt?

Die Unterschiede sind vor allem im kulturellen Bereich, wobei hier Österreich Deutschland haushoch überlegen ist, wenn ich das mal in aller Bescheidenheit und Subjektivität sagen darf. Aus österreichischer Sicht gesehen, sind die Deutschen ein kulturloses Volk, vor allem was Esskultur anbelangt. So käme ein Österreicher kaum auf die Idee, Frass zu sich zu nehmen, nur weil er billig ist. In Deutschland ernährt man sich, in Österreich genießt man.

Allerdings, objektiv gesehen ernähren sich die Deutschen trotzdem gesünder. Ich bin überzeugt, mit österreichischen Lebensgewohnheiten wäre ich nicht mehr am Leben. Man kann sich eben auch zu Tode fressen und vor allem auch saufen.

Beide Länder liebten und schätzten Peter Alexander. Sein Lebenswerk hat viel dazu beigetragen, dass Deutsche den österreichischen Akzent so sympatisch finden. Wenn es ums Singen geht, dann trennt die Geschichte aber wieder: die Deutschen singen Marschmusik, bei den Österreichern schwingt ein Walzerrhythmus mit.

Sowohl die Alpenländler, wie auch das Volk der Dichter und Denker, sind ein Volk von "Schubsern und Dränglern", zeigen also wenig Disziplin, wenn es um das Anstellen geht. Beide sind auch Weltmeister im Belegen von (Bade-)Liegen. Ich bilde mir jedoch ein, dass da die Österreicher, vor allem die Wiener, noch rücksichtsloser als die Deutschen sind.

Österreicher im Ausland tendieren übrigens nicht dazu, in Ghettos zu leben, auch außerhalb Deutschlands nicht. Wie andere Bewohner kleiner Staaten, lernen sie leicht Fremdsprachen und integrieren sich überall schnell.

Ich war oft in der Zwickmühle, ein Urteil für die eine oder andere Seite abzugeben. Gelegentlich habe ich mich früher darauf eingelassen, aber ich konnte es nie beiden recht machen.

Inzwischen weiß ich den Königsweg. Ich bin Europäer, mit österreichischen Wurzeln, deutschem Pass, Wohnort Tübingen und fühle mich überall Zuhause, wo die Menschen nett zu mir sind und es mir gut geht.

Die Familienbanden sind von den verschiedenen Pässen unberührt gut geblieben, habe ich erfreut feststellen können. Probleme machen aber die Verkehrsregeln, die in beiden Ländern verschieden sind. Vor allem die Maut wird so lange ein Problem bleiben, so lange es keine einheitliche, europäische Lösung dafür gibt.


Wer zwischen den beiden Kulturen wechseln muss, wird schnell erkennen, dass doch vieles mehr wesentlich unterschiedlich ist. Nicht nur die Politik, die Bürokratie, die Vorschriften und das Rechtssystem, auch die Bildungseinrichtungen, die Medien, Zeitungen, Fernsehen und Rundfunkprogramme, sie sind nicht vergleichbar, gar nicht zu reden von Gebräuchen, sozialem Verhalten oder Lebensqualität.

Auch sind die Österreicher selbst sehr verschieden. Zumindest muss man zwischen Wienern und allen anderen Österreichern (den Bundesländern) unterscheiden. Die Deutschen glauben oft Österreich verstanden zu haben, weil es oberflächlich gesehen so ähnlich ist. Aber sie irren meist gewaltig. So schaut Hofer wie Aldi aus, hat auch dieselben Besitzer, aber das konkrete Angebot ist in vielen Bereichen extrem verschieden.

Ich habe viele Gespräche zwischen Österreichern und Deutschen beobachtet. Auch hierbei glauben viele, dass eine Kommunikation zustande gekommen ist, nur weil man die Worte verstanden hat. Aber gerade Deutsche tun sich unheimlich schwer, den Sinn dieser Worte zu verstehen. Für die oberflächlichen Gespräche im Urlaub ist es ja auch ok, aber Vorsicht, wenn es um Ehen, Verträge und kritische Inhalte geht!

Man tut also gut daran, zuerst zu lernen und dann erst zu urteilen. Es wäre falsch, die Unterschiede zwischen Tübingen (BW) mit Linz (OÖ), mit den Unterschieden zwischen Stuttgart und Hamburg zu vergleichen. Über Staatsgrenzen hinweg ändert sich doch die Welt stärker. Und so tröste ich mich immer auch, dass das Postporto nach Wien höher ist, als innerhalb Deutschland, obwohl von meinem Tübingen aus die Wege nach Österreich wesentlich kürzer sind, als zu den meisten deutschen Zielen.

Ich betrachte es als Privileg, dass ich mich in beiden Kulturen sicher bewegen kann, auch wenn ich dadurch etwas von einem Heimatgefühl verloren habe. Leider habe ich meinen österreichischen Pass abgeben müssen, wie ich Deutscher geworden bin. Nicht dass ich ihn wirklich gebraucht hätte, aber er wäre ein schönes Souvenir geworden. Es waren übrigens nur praktische Gründe, die mich haben wechseln lassen.

Ich habe es aufgegeben, als Dolmetscher oder Vermittler zu dienen. Richtig verstehen kann man einander ohnehin erst, wenn man mindestens drei Jahre miteinander gelebt hat. Die unzähligen Missverständnisse, die mir untergekommen sind, waren nur mühsam oder überhaupt nicht auszuräumen. Aber sie waren auch nicht weltbewegend.

In beiden Ländern haben sich die anderen Menschen erfolgreich etablieren und entwickeln können. Offenbar ergänzen sich die Hintergründe und Fähigkeiten gut. Ich habe festgestellt, das man die vorhandenen Vorurteile oft ganz nützlich für sich einsetzen kann und sie nicht immer einen Nachteil darstellen. Ich wurde in Deutschland fast immer freundlich und nett aufgenommen, habe durch die deutsche Bürokratie nie Nachteile erfahren und wünsche dies auch allen in Österreich lebenden Deutschen.

Wem ich bei Sportereignissen die Daumen halte, das verrate ich nicht mehr. Ich habe schon einmal eine liebe Freundin verloren, weil ich für die falsche Seite gejubelt hatte. Offenbar hört beim Sport und beim Siegen die Toleranz auf!


Interessante Links und Literatur

Keiner ist so toll wie wir von Markus Huber und Robert Treichler. Europa aus österreichischer Sicht.

Wörterbuch Österreichisch - Deutsch von Astrid Wintersberger und Hans C. Artmann (Broschiert - Dezember 1995)

https://www.ostarrichi.org/    Mit vielen nützlichen Informationen zu Sprache und Land

https://austria-forum.org/    Informations- und Diskussionsportal

Der richtige Umgang mit einem Österreicher von Thomas Rhomberg

Darum nerven Österreicher von Walter Lendl. Ein Insider packt aus.

Österreich für Deutsche. Einblicke in ein fremdes Land von Norbert Mappes-Niediek.

Wer seine Österreichtauglichkeit testen will, der versuche die Cartoons von DEIX zu verstehen. Kapiert er sie und lacht er an den gleichen Stellen wie die Österreicher, dann hat er die Prüfung bestanden.

Wer als Deutscher ein typisches Souvenir für Österreich sucht, eine Doppel-CD von Hubert von Goisern habe ich schon oft empfohlen und sie hat gefallen!

Freude zum Schluss

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