Machtfragen sind für alle Männer (und zunehmend auch Frauen) von Interesse und je älter sie werden, desto größer wird es. So habe auch ich mich damit beschäftigt.
2011 ist mir nun ein handliches Büchlein von Gene Sharp in die Hände gekommen, das mir eine neue Sichtweise dazu vermittelt hat. Das Buch ist ein Leitfaden für die Befreiung von Diktaturen. Es sind zwei Gesichtspunkte, die es lesenswert machen.
Erstens beschreibt es - neben unzähligen, bewährten, praktischen Vorschlägen - gut, was beim Sturz von Diktatoren nicht funktioniert. Diese Liste ist ziemlich überraschend, denn sie enthält das, was man sich intuitiv vorstellen würde, wie: Putsch, ausländische Retter und Verhandlungen.
Zweitens ist es ein klassisches Beispiel für Changemanagement, eine Sicht, wie große Veränderungen funktionieren, die von Lewin in der Mitte des letzten Jahrhunderts gestartet wurde und die später Variationen und Anwendungen auf vielen Gebieten erfahren hat.
Ich habe versucht, diese Gedanken noch einmal zu generalisieren und bin zu folgenden sieben Thesen, gültig für die meisten Machtwechsel, gekommen:
Jeder Machtwechsel ist möglich, aber vielleicht auch schwierig.
Es bedarf dazu guter Kenntnis der Situation, der Beteiligten und sorgfältiger, intelligenter Planung realistischer Menschen.
Man kann ihn (nahezu) gewaltlos durchführen, indem man die bestehende Macht aushöhlt und neue Macht (in der gewünschten Form) schafft.
Dabei ist es wichtig zu wissen, worauf die Macht beruht und wo die Schwachstellen sind.
Es bedarf einer großen Zahl von kleinen Aktionen, die alle in eine strategische Richtung führen und die einen großen Kommunikationsaufwand erfordern.
Eine große Änderung wird immer mehrere Phasen brauchen und meist auch mehrere Zyklen. Und es wird mit großer Wahrscheinlichkeit unerwünschte Nebenwirkungen geben, für die Lösungen gefunden werden müssen, bevor sich ein neuer, stabiler Zustand einstellt.
Jeder Machtwechsel hat ein Streben oder ein Bedürfnis von vielen Menschen als Grundlage, das nicht dauerhaft unterdrückt werden kann und aus dem er seine Kraft und Energie bezieht.
Besonders der letzte Punkt hat es mir angetan. Beim Sturz von Diktaturen ist es der naheliegende Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung, der die Grundlage ist. Aber es sind viele andere Gründe denkbar.
Bei der letzten Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg war es Angst, die den Machtwechsel verursacht hat. Interessant dabei, dass diese Angstwelle diesmal von einem schrecklichen Erdbeben und einem massiven Tsunami in Japan ausgelöst wurde. Angst ist ja ein urdeutsches Phänomen, aber es ist sicher auch auf andere sehr wohlhabende und alternde Gesellschaften übertragbar. Und mit Angst wird man in Deutschland noch viele Wahlen gewinnen können.
Weitere Beweggründe für Wechsel im großen Stil sind Armut, Ausbeutung, Hoffnungslosigkeit, Unterdrückung der Sexualität, Bedrohung der Religion oder Kultur, Verlust von Einfluss und Vermögen, aber auch Scham, Zorn, Hass, Rache und selbstverständlich darf man auch die Verführung (durch Populisten) nicht vergessen.
Nun wird nicht jeder bei dem Thema Machtwechsel gleich an Revolutionen denken, manche wollen z.B. einfach nur ihren Chef loswerden. Aber auch hier gelten ähnliche Prinzipien und wer darüber nachdenkt, kann hier kreativ werden. Wie man in Deutschland einen ungeliebten Fussballtrainer los wird, weiß jeder: Man muss nur genügend Spiele verlieren und schon ist er machtlos.