Im Juni 2012 habe ich in einem sehr festlichen Rahmen in Linz (der Hauptstadt von Oberösterreich) das ungewöhnliche Fest der "Goldenen Matura" (oder wie man in Deutschland sagen würde, des "Goldenen Abiturs") gefeiert.
Zusammen mit all den Kolleginnen und Kollegen, die 1962 die Matura machten, wurden wir 50 Jahre später vom Landeshauptmann Oberösterreichs, Dr. Josef Pühringer persönlich (dem entspricht in Deutschland der Ministerpräsident), und einem Vertreter der Obersten Schulbehörde mit großem Aufwand und mit allen Finessen geehrt.
Ich habe dies als eine sehr gute Idee gefunden, deshalb berichte ich auch darüber. Im Alter kehren Menschen ohnehin gerne in ihre Heimat zurück, sie sind dankbar, wenn alte Kontakte aufgefrischt werden und sie lassen sich gerne an die Höhepunkte ihrer Jugend erinnern. All dies ist mit der Goldenen Matura bestens gelungen.
Natürlich fragt man sich auch, warum dieser Aufwand getrieben wird. Ich denke, er rechnet sich auch für das Land selbst. Netzwerke, u.a. ins Ausland, sind für ein kleines, aber hoch industrialisiertes Land wie Oberösterreich (mit 1,4 Millionen Einwohnern) wichtig. Ich vergleiche sie mit den Alumninetzwerken von Universitäten, die ähnliche Effekte anstreben.
Wir hatten in all den Jahren einen rührigen Kollegen, der seine Rolle als "Sozialmanager" bestens gespielt hat und dafür gesorgt hat, dass für unsere Klasse die Adressen und Kontakte gepflegt werden konnten. Deshalb gab es zu allen 10er Jubiläen auch Treffen, so dass der Schock, dass die anderen alle so alt geworden sind (und man selbst so jung bleibt) bei uns stark gemildert wurde.
Aber wenn so viele Gleichaltrige zusammen kommen, fallen auch andere Gesichtspunkte auf. So haben sich unsere ebenfalls 68 jährigen Kolleginnen wesentlich besser gehalten, als wir Männer. Aber von den Männer haben wesentlich mehr weiter studiert und so waren die Titel bei ihnen sehr viel häufiger. Ebenso interessant war die hohe Lebenserwartung, 95 Prozent der vielen Maturanten lebten noch. Auch von den Lehrern (in Österreich Professoren genannt) lebten noch einige (unser 2 verbliebenen sind inzwischen 92 Jahre alt) und sie waren auch eingeladen.
Diese Veranstaltung war auch so etwas wie eine Kontaktbörse. Ich vermute, dass einige auch versucht haben, die früheren Jugendlieben wieder ausfindig zu machen. Auf jeden Fall wurde beim vorzüglichen, langen Essen viel geredet.
Unsere Schulklasse begann 1954 mit 48 Schülern (Großteils mit dem Geburtsjahr 1944), 19 davon schafften 1962 mit 18 Jahren die Matura. Von den 19 leben noch 17, einer starb jung in einem Flugzeugunfall, der andere hat zuviel geraucht. Fast alle haben ein Studium begonnen und ein hoher Prozentsatz hat es auch abgeschlossen. Ich würde sagen, alle haben Karriere gemacht. Es hat sich also gelohnt, in Ausbildung zu investieren.
Ich bin als einziger im Ausland geblieben, alle anderen blieben in Österreich, ein hoher Prozentsatz sogar im Bundesland Oberösterreich. Inzwischen genießen alle den Ruhestand, einige sind aber weiterhin intensiv ehrenamtlich tätig. Beim Treffen waren immerhin 16 anwesend, nur einer hatte einen Terminkonflikt.
Hätte ich es nicht schon vorher oft gesagt, ich würde meiner Ex-Heimat Linz wieder einmal das große Lob der Seniorenfreundlichkeit aussprechen und ihr ein besonderes Verständnis für Kultur bescheinigen. Beides vermisse ich oft in Deutschland. Aber vielleicht lernen wir dazu. Die "Goldene Matura" wäre ein nachahmenswertes Beispiel.