OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Die Übersetzung zu „sunset clause“ lautet Auslaufklausel, Befristungsklausel oder Ablaufklausel. Oder ganz aktuell nennt man es auch Exit-Strategie. Aber mir gefällt der englische Ausdruck mit dem Sonnenuntergang viel besser. Er impliziert, dass das Ende durchaus schön sein kann. Ich habe mir auf Mallorca im Winter oft Sonnenuntergänge angeschaut. Sie passieren am Meer schneller als man denkt und viele waren wirklich schön.

Man könnte ja vermuten, dass der Gedanke an das Ende etwas mit meinem fortschreitenden Leben zu tun haben könnte. Aber bei mir ist es eher nicht der Fall. Schon in jungen Jahren hat mich dieser Gedanke beschäftigt. Soll ich eine Beziehung aushalten oder soll ich sie beenden? Soll ich bleiben oder auswandern? Alles Entscheidungen schon mit weniger als 30 Jahren.

Richtig interessant aber sind die Fragen durch berufliche oder politische Entscheidungen geworden. Wann soll ein Projekt beendet oder besser vorzeitig beendet werden. Wann soll ein Kurs abgesetzt werden, wenn die Nachfrage zurückgeht? Wann kann man die strengen Beschränkungen durch eine Seuche wieder aufheben? Wie oft soll eine Bundeskanzlerin ihre Amtsszeit verlängern?

Die lebende Natur kennt diese Fragen nicht so explizit. Der Tod regelt dies ganz automatisch und selbstverständlich. Aber alles, was von Menschen geschaffen wird, hat meist nicht den geplanten Tod im Programm. Und für die schon tote Natur ist die Frage ohnehin nicht mehr relevant.

Wir tendieren dazu alles für die Ewigkeit zu schaffen, obwohl wir genau wissen, dass dies dann doch nicht so sein wird. Typisch dazu sind die Eheversprechen. Nicht bis der Tod uns scheidet, sondern meist schon viel früher werden die Ehen wieder getrennt.

Meine Gedanken dazu gliedern sich in drei 3 Teile

1. Warum zeitliche Befristungen klug sind

2. Wie man sie am besten formuliert

3. Wie man das Ende würdig abschließt

Der Vorteil von Befristungen

Auch schmerzliche Situationen sind zu ertragen, wenn man weiß, dass es nicht für immer ist. Man hält sie durch. Aber auch bei erfreulichen Situationen gilt: Man genießt sie um so mehr, wenn man weiß, es ist nicht für immer.

Ich war in einem Klub junger Führungskräfte. Und man wusste, dass der Aufenthalt dort mit dem 40ten Geburtstag beendet ist. Es hat mich sehr motiviert, die Zeit zu nutzen und ich hätte manches nicht gewagt, wenn das Limit nicht gewesen wäre.

Die Urlaubssituationen haben auch deshalb einen besonderen Reiz, denn der Urlaub geht definitiv zu Ende.

Die Bayrische Politikerin Gabriele Pauli hat 2007 vorgeschlagen, die Ehe auf 7 Jahre zu beschränken. Sie allerdings wurde dafür abgestraft. Das war dann doch zu radikal.

Der Hauptvorteil von Befristungen ist, dass die Fehler, die vielleicht gemacht wurden, nicht ausarten. Wenn man bedenkt, dass fast alle unsere Probleme einmal Lösungen waren, dann ist es naheliegend, sich nicht zu lange fest zu legen. Was nicht lange gilt, schränkt auch die Freiheit unseres Handelns nicht zu lange ein.

Aus gutem Grunde ist deshalb die Macht in Demokratien zeitlich limitiert. An diesem Beispiel sieht man auch gleich ein Problem der Limitierung. Wer an der Macht ist, versucht sie zu erhalten. Das passiert auch in Demokratien. Da werden einfach Konkurrenten kaltgestellt oder das Wahlrecht geändert .

Wächst nun mit der Limitierung die generelle Unsicherheit? Ja und nein, würde ich dazu behaupten. Ja, weil natürlich eine neue Entscheidung auch neue Probleme verursachen könnte. Aber auch nein, weil eine neue Anpassung an veränderte Situationen wieder Sicherheit gibt.

Entscheidend ist immer der Zeitraum. Permanente Änderungen führen genau so zum Untergang, wie keine Veränderung.

Damit kommen wir gleich zum nächsten Punkt.

Wie man die Befristung am besten formuliert

Wenn es geht, ist es natürlich am einfachsten, einen Zeitraum festzulegen. 8 Jahre für einen deutschen Oberbürgermeister. Das ist lange genug um vielleicht notwendige Veränderungen durchzuführen. Und war er oder sie gut, dann ist eine Wiederwahl beliebig oft möglich. Für viele ist das vielleicht zu lange und man sollte durchaus überlegen, sie auf 6 Jahre zu verkürzen.

Oder 5 Jahre für Subventionen. Da Subventionen problematisch sein können, ist vielleicht eine dynamische Regelung besser. Zum Beispiel: mindestens 3 Jahre, maximal 7 Jahre. Entscheidungen jedes halbe Jahr möglich.

Liegen viele Erfahrungen mit dem Problem schon vor, dann kann man fast immer eine feste Zahl angeben. 4 Jahre für einen amerikanischen Präsidenten, eine einzige Wiederwahl ist möglich, alle 2 Jahre sind Wahlen für den Kongress, die eine Machtkorrektur ermöglichen. Das scheint mir eine vernünftige Lösung zu sein.

Aber wie soll man jetzt die Dauer einer Ehe festlegen? Auch auf 7 Jahre, mit der Option auf weitere 7 Jahre, wenn beide zustimmen? Da habe ich kein gutes Gefühl. Das Schwierigkeit sind die Kinder, die auch Teil der Ehe werden.

Wie legt man die Kriterien fest, wenn man viel zu wenig Wissen über das Problem hat, wie bei der COVID19 Seuche im Jahr 2020? Da sind alle noch am Experimentieren. Aber klar ist, dass es ein Ausstiegsszenario geben muss, soll die Maßnahme nicht mehr Schaden anrichten, als die Seuche selbst. Meist hilft man sich da mit Checkpunkten in kurzen Abständen.

Wie man das Ende würdig abschließt

Dieser Abschnitt ist vielleicht der wichtigste. Denn seine Ideen sind am leichtesten zu implementieren, aber gegen sie wird auch am häufigsten verstoßen.

Mein Vorbild in dieser Frage sind nicht nur Sonnenuntergänge, sondern zum Beispiel auch ein Seniorenchor meiner Mutter. Wenn jemand nicht mehr in der Lage war in diesem Chor alter bis sehr alter Menschen zu singen, dann wurde das (meist lang anwesende) Mitglied zum Ehrenmitglied ernannt. Dazu gab es eine kleine Feier und auch ein aufwendiges gestaltetes Diplom. Man konnte ab dann in jedem Konzert gratis zuhören und musste keinen Mitgliedsbeitrag mehr zahlen.

Folgendes wurde damit erreicht:

1. Die Qualität des Chores blieb erhalten.

2. Das Ausscheiden wurde als ehrenvoll angesehen.

3. Es gab keinen Gesichtsverlust.

4. Die Verwaltung wurde vereinfacht.

Ein anderes Beispiel aus der Industrie waren die Abschlussfeiern für Projekte, die vorzeitig beendet werden mussten. Man hätte sich das auch ersparen können, denn es war immer auch schmerzlich. Aber da saß man nochmals zusammen. Man hat sich gegenseitig gelobt und es kam auch immer höheres Management dazu, das auch gelobt hat. Schließlich hat man immer auch etwas gelernt dabei. Die Erfahrung ist gewachsen.

Die Mitarbeiter wussten alle schon, wo sie als nächstes eingesetzt werden. Viele haben dann auch die Überstunden ab gefeiert und so ein kleines Sabbatical genommen. Manchmal kam auch etwas Wehmut auf, was man denn hätte anders machen können. Aber unter dem Strich war es eben ein Sonnenuntergang und am nächsten Morgen hat ein neuer Tag begonnen.

Ein Gegenbeispiel ist der Rauswurf von Top Spielern aus der Deutschen Fußballnationalmannschaft 2019. Das war missglückt. Alles zu spät, kein früher klarer Schnitt, beleidigend für die Stars. Ein deutlicher Gesichtsverlust für alle.

Die letzte Feier im Leben eines Menschen ist sein Begräbnis. Als langjähriger Anrainer eines großen Friedhofs habe ich viele miterlebt. Zwei große Änderungen im Laufe der Zeit konnte ich registrieren. Die Begräbniskultur selbst ist immer sparsamer, besser gesagt billiger, geworden. Aber die Reden und Würdigungen sind ehrlicher geworden. Letzten Endes wurde es ein bewusster Abschied und weniger ein leeres Ritual. Es mag viele vernünftige Gründe für diese Entwicklung gegeben haben. Gut für unsere Kultur ist sie sicher nicht.

Den Abschied bewusst machen

Ich selbst habe viele Veränderungen durchlebt. Nicht immer ist es mir gelungen, alle Krisen auch als Chancen zu begreifen. Besonders das Weggehen oder der Verlust waren oft lange Zeit schmerzlich. Aber wann immer ich konnte, habe ich es auch gefeiert. Und sei es nur, dass ich es mir bewusst gemacht habe, dass ein Abschnitt jetzt zu Ende ist. Wenn das Bild mit dem Sonnenuntergang nicht mehr passt, kann man ja auch den Sonnenaufgang nehmen!

Sonnenuntergang

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