OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Während meines USA Aufenthalts 1983 bis 1985 musste ich meinen Arbeitsplatz einige Male wechseln. 1985 sind wir dann im Rahmen einer Konsolidierung kleinerer Locations (die alle wegen der damals häufigen Bombenattenate stark sicherheitsgefährdet waren) nach 2000 Purchase Street im Westchester County gezogen. Das Gebäude war für Nestle gebaut worden, aber noch vor der Fertigstellung an meine Firma verkauft worden und dann nach deren Richtlinien fertiggestellt worden. Heute gehört dieses außergewöhnliche Architekturdenkmal MasterCard, Details dazu kann man auf Wikipedia nachlesen.

Für mich war dieser Umzug ein Segen, ich hatte dadurch einen wesentlich kürzeren Weg zur Arbeit und konnte besser eine Fahrgemeinschaft mit meiner Tochter eingehen. Alle meine amerikanischen Kollegen waren wegen dieses Gebäudes ziemlich aufgeregt, denn es hat so gar nicht in die übliche US-Firmenarchitektur gepasst. Als besonders spannend wurde die neue Cafeteria angesehen, die wie ein Nachtclub am Dach des Gebäudes gestylt war.

Das Nestle Building, wie es noch zum Einzug hieß, erwies sich aber dann im praktischen Gebrauch als Fehlkonstruktion, wofür vor allem der nachträgliche Umbau verantwortlich war. Die Eingangshalle war zwar imponierend riesig, aber die Büroräume zu klein, es gab zu wenig Konferenzräume und auch die Toiletten waren zu knapp bemessen.

Die größte Sensation aber war, es gab viel mehr Büros mit Blick nach außen, als in den üblichen amerikanischen Bürokomplexen. Der Grund ist simpel, Nestle hatte nach europäischen Standards geplant, wo der Blick nach außen normal war und so gab es mehr Zimmer mit Außenblick, als den Firmenrängen entsprochen hatte, denn solche Büros waren sonst nur für die oberen Chargen.

Selbst für mich, der ich in der Hackordnung ganz weit unten war, hätte es die Chance gegeben, so ein Büro zu ergattern. Aber ich lehnte dankend ab, denn erstens war meine Zeit in den USA da ohnehin schon limitiert und zweitens hatte ich inzwischen den Hauptvorteil dieser amerikanischen, fensterlosen Büros kennengelernt: Sie waren wesentlich besser gegen extreme Hitze oder Kälte geschützt. Für Bildschirmarbeiter wie mich gab es auch keine lästigen Lichtspieglungen. Und ich hatte in Deutschland ohnehin ein Traum-Büro, das in meiner Firma in den ganzen USA seinesgleichen suchte.

Da ich zu der Dame, die die Raumplanung machte, immer ein gutes Verhältnis hatte, konnte ich mir ein schönes, anderes Büro aussuchen. Und ich habe wahrlich ein Traumbüro bekommen: Mit Blick auf einen Innenhof, in dem ein kleiner Wasserfall plätscherte. Direkt neben einem Kopierraum, was für meine Vorbereitungen der Rückkehr sehr praktisch war. Nahe dem Sekretärinnenpool und weit weg von den Großkopferten, deren Ego gelegentlich weit ihre Fähigkeiten überstieg.

An einen erinnere ich mich noch gut. Damit er in seiner Liga mitspielen konnte, musste er eine Rolex-Uhr haben. Zu einem Originalexemplar hat es offenbar nicht gereicht, also hat er sich ein "fake" (das gab es in guter Qualität in New York City schon für 100 Dollar zu kaufen) zugelegt. Da er damit nicht umgehen konnte, (bei einer Schraubkrone muss man zuerst die Krone aufschrauben und kann erst danach die Uhr aufziehen oder stellen) musste er einen Mitarbeiter fragen, der eine Rolex hatte und der hat die Fälschung natürlich gleich gemerkt. Und dann dauerte es keinen Tag, bis das ganze Gebäude wusste, dass der Big Boss gar kein Original am Armgelenk hatte.

Es kam wie es kommen musste. Mit den ersten heißen Tagen im Sommer 1985 wurde die Situation in manchen Büros unerträglich. Die Sonne brannte auf die Glasfassade und hitzte die Räume mit Außenblick so auf, dass selbst auf der höchsten Stufe die Klimaanlagen versagten. Der starke Zug der eiskalten Luft hat selbst die daran gewohnten Amis krank gemacht.

Ich bekam dann täglich am Nachmittag Besuch von meinen erschöpften und frustrierten Kollegen, die sich bei mir ausruhten und das angenehmere Klima genossen. Seitdem weiß ich, dass Statussymbole eine große Last sein können und es manchmal klüger ist, auf sie zu verzichten!


Nachtrag: Wer die Chance hat, dieses Gebäude zu besuchen, sollte sie nutzen. Es ist sicherlich auch heute noch beeindruckend, selbst wenn man es nur von außen sieht. Und wer schon dort ist, ganz nahe ist auch die Zentrale von Pepsico, mit einem für die Öffentlichkeit zugänglichen, wirklich sehenswerten Skulpturengarten.


Freude zum Schluss

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