OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

„Weiche Macht“, ein sympathisches Wort, aber was ist das eigentlich? Es ist ein Begriff, der von Joseph Nye 1990 eingeführt wurde und seitdem auch so verwendet wird. Soft Power aber gab es schon immer, nur hat man es anders benannt. „Vorbild“ zum Beispiel oder „es hat den Menschen gefallen“. Die meisten Weltreiche der Vergangenheit, wie auch stabile Religionen hatten meist auch diese Ausstrahlung, die fasziniert hat und sie lange am Leben gehalten hat.

„Zentrales Merkmal der Soft Power ist die Machtausübung durch die Beeinflussung der Ziele politischer Akteure, ohne dass dazu (wirtschaftliche) Anreize oder (militärische) Bedrohungen eingesetzt werden“. (Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Soft_Power)

Das Römische Reich war historisch für mich immer das Musterbeispiel für Soft Power und ich habe es daher auch als Modell für die EU betrachtet.

Länder wie Deutschland, die aus guten Gründen keine militärische Macht mehr ausüben wollen (und inzwischen auch nicht mehr können), werden immer genannt, wenn man sie beraten will, wie sie ihre Macht erhalten können. Auch die EU soll durch Soft Power anerkannt werden. Dort nennt man es dann „Werte“. In beiden Fällen ist das Ergebnis eher nicht überzeugend. Die Attraktivität kommt fast nur durch wirtschaftliche Gründe.

Für mich waren die USA lange ein Vorbild auch für Soft Power. Das Land der Freiheit, des Erfolgs, dort wo man sein Glück machen konnte. Es ist aber dann auch ein Beispiel geworden, wie schnell man sich von einem Land abwenden kann, wenn sein Präsident zur Gefahr wird.

China hat in mancher Hinsicht die USA in dieser Rolle abgelöst. Aus „Go West“ wurde „Go East“. Wer in der Wirtschaft Erfolg haben wollte, musste nach China gehen. Auch der Erfolg beim Begrenzen des Bevölkerungswachstums hatte große Ausstrahlung. Ebenso der Gedanke der Neuen Seidenstraße. Der Verlust von Freiheit und unverständliche Aggression aber hat Viele schnell an China zweifeln lassen.

Russland hingegen war zwar lange militärische Großmacht, konnte aber auf die Dauer nur wenige Freunde gewinnen. Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Russland die Chance verpasst sich ein freundliches Antlitz zu geben. Auch viele Propaganda Anstrengungen dazu waren vergeblich. Ich konnte das nie ganz akzeptieren, weil die russische Kultur in vielen Bereichen (Sport, Musik, Gesang, Tanz) doch bewundernswert war und noch bis heute ist.

In Europa war Großbritannien bis vor dem Brexit lange hochattraktiv für mich. Vor allem durch seine Theater, die Musik und viele typische Sportarten, die ich geschätzt habe, allen voran Snooker. Der Brexit allerdings hat dann fast alles vernichtet. Nur die Vorliebe für Snooker ist geblieben. Aber auch hier hat China die UK inzwischen überholt.

Soft Power ohne Hard Power hat auf die Dauer wenig Chancen auf eine bleibende Wirkung, ist meine Vermutung. Es kann sogar sein, dass mit dem globalen Anwachsen der Diktaturen sie sogar wieder bedeutungslos wird.

Persönliche Soft Power

Wann ist uns jemand sympathisch, auf wen hören wir? Vor allem, wen fragen wir um Rat, wenn wir selbst keine Antwort haben. Auf Menschen mit Soft Power? Eher nein, aus meiner Sicht. Wir fragen Experten, die in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie das richtige Wissen hatten. Und wir bezahlen auch für ihre Dienste.

Wer ist uns sympathisch? Da ist die Lage schon anders. Am ehesten sind es Menschen, die uns selbst ähnlich sind oder die Eigenschaften haben, die wir auch gerne hätten. Hier geht es weniger um Rat, als um Unterhaltung. Meine Zusammenfassung: Menschen, die uns gut unterhalten, haben die größte Soft Power.

China 2022

Als ich 2009 etwas über den weltweiten Wohlstand geschrieben habe, kam eine Anfrage dazu aus China. Es war mein erster Kontakt zu den strategischen Bemühungen diesen riesigen Staates, auf allen Gebieten aufzuholen.

Ich habe mir dann über viele Jahre  Chinesische Propaganda angeschaut und ich war ganz angetan von der Art, wie sie gestaltet wurde. Kein Vergleich zu Russland (z.B. Russia Today), das schon einen Kilometer gegen den Wind nach Desinformation gestunken hat. Trotzdem fanden einige von den Ultralinken, sowie den Ultrarechten in Deutschland daran durchaus Gefallen.

Es war klar, dass China selbst immer nur von der besten Seite gezeigt wurde, aber insgesamt wurde doch ein eher faires Bild von der Welt gezeigt. Interessant für mich auch deshalb, weil es sonst kaum Alternativen dazu gab.

China ist es tatsächlich unter großen Opfern gelungen, sein Bevölkerungswachstum zu stoppen. Es hat - in meinen Augen am besten - in vielen, kleinen Schritten erfolgreich Geopolitik betrieben und es geschafft von der billigen Werkbank des Westens zum technischen Innovator der Welt zu werden.

Der Umgang mit Hongkong, Annexionsbestrebungen an seinen Küsten, Strafaktionen gegen die Anerkennung Taiwans und vieles andere haben dann meine Begeisterung gestoppt.

Ich war leider nie in China und war – ich muss es zugeben - auch nie besonders an chinesischer Kultur (im Gegensatz zu Japan) interessiert. Meine Kontakte waren primär Chinesische Restaurants, deren Essen ich auch gut vertragen habe.

Allerdings hatte ich beruflich persönliche Mitarbeiter chinesischer Herkunft. Unter anderem auch eine Chinesin als Sekretärin. Sie bekam eine Einweisung, wie sie sich am Telefon zu verhalten habe und und hat sich auch peinlich genau daran gehalten. Einmal hat mich ein Kollege aus einer anderen Firma gefragt, ob ich ihm verraten würde, welche Telefon Software wir da im Einsatz hätten. Er war beeindruckt von der Qualität und wir mussten dann beide lachen, als ich ihn aufgeklärt habe.

Überaus fleißig und überaus intelligent, war lange mein Vorurteil über China und seine Menschen, aber wenig kreativ. Welch großer Fehler!

Warum China so oft unterschätzt wird: Es sind viele Menschen, sie sind gut organisiert, sie sind fleißig, ehrgeizig, neugierig und wissbegierig, kreativ und intelligent, lernen schnell, alle lernen Englisch, sie haben viel Geld und Know How zur Verfügung, ihre Fehler und Krisen in der Vergangenheit haben ihren Ehrgeiz mitgeprägt. Niemand hat z.B. vor einigen Jahren geglaubt, dass im Snooker China #1 wird, inzwischen aber ist es passiert.

Beijing 2022

Die  Olympischen Winterspiele 2022 sollten die Leistungsschau Chinas werden. Sie begannen am 4. Februar 2022 und ich hatte auch Zeit genug, sie zu verfolgen.

Mein Augenmerk war auf den Auswirkungen von Soft Power in China. Wird es dem Land gelingen freundlich und sympathisch aufzutreten? Wird es Werte vermitteln wollen, die uns vielleicht neu, aber dennoch attraktiv erscheinen? Dabei ist immer auch zu berücksichtigen, dass auch diese Winterspiele, wie schon im Vorjahr die Sommerspiele in Japan, in einer Pandemiezeit stattfinden.

Dass viele über die Menschenrechtslage schimpfen ist kein Wunder. Sie ist schlecht. Trotzdem war ich gegen den politischen Boykott der Olympischen Spiele in Peking. Deutschland gewinnt dadurch nichts, aber verliert Chancen für direkte Kontakte nicht nur mit China, sondern auch mit anderen Ländern. Hauptzweck von Diplomatie ist der Ausbau von Netzen und Erwerb von lokalem Wissen. Den Werteexport der deutschen Außenministerin und die journalistischen Berichte dazu empfinde ich als schwach.

Es ist inzwischen nur folgerichtig, dass Olympische Spiele und andere Großsportereignisse oft in Diktaturen stattfinden. In Demokratien ist es sehr riskant geworden, das finanzielle Risiko zu tragen oder die Sicherheit dafür zu garantieren.

Ich habe bei Bejing 2022 oft zugeschaut. Viel Sonne, sehr schöne Bilder, perfekte Kameraführung, auch der Ton ok, aber im Freien viel zu kalt und zu viel Wind. Besonders beeindruckend fand ich auch die vielen Echtzeitmessungen. Viel Freude, auch einige Tränen, Emotionen auch bei mir als Zuschauer. Ob es auch gute Sportstätten waren, werden danach die Teilnehmer urteilen.

Die Diskussion um das Olympischen Motto (Dabei sein ist alles) ist nutzlos. Unter dem Strich geht es heute primär ums Geld und das Prestige und nicht nur um „Schneller, höher, stärker“. Ich fürchte, es wird letztlich damit enden, dass es einfach keine Olympischen Spiele mehr geben wird. Besonders die Winterspiele werden darunter leiden, mein Verdacht. Zum Schluss bleiben nur noch Skandinavien, Island oder Kanada als Austragungsorte übrig. Immerhin wurde der zu erwartende Krieg in Osteuropa nicht während Olympia begonnen, also ein bisschen Olympischer Frieden war da.

Das China Bashing deutscher KommentatorInnen 2022 fand ich unnötig und auch unehrlich. Wenn alles so mies ist, warum hat man dann überhaupt teilgenommen? Das gleiche Muster hatten wir schon bei Sotschi 2014. Die Praxis zeigt, dass mit dem Beginn der Spiele und dem Verleihen der Medaillen dann doch der Sport wichtiger als die Politik wird.

Wenig zufrieden war ich mit dem begleitenden Journalismus, sowohl bei den ÖRR, als auch bei Eurosport. Aber dafür kann China nichts. Meine Kriterien für Bildübertragungen: Der ideale Kommentator weiß viel, aber redet wenig, ist unsichtbar, hat eine angenehme Stimme. Seine Inhalte sind total auf das Publikum und nicht auf sein Ego abgestimmt. Er oder sie erklärt immer wieder auch die Regeln und weist auf Fakten hin, die man selbst nicht sieht. Gequassel, vor allem dann, wenn die Musik wichtig ist, wie beim Eistanzen, brauch ich nicht. Je länger die Spiele gedauert haben, desto weniger habe ich den Ton eingeschaltet gelassen.

Angenehm für alte Menschen war die Übertragungszeiten am frühen Morgen. Da konnten wir von der Senilen Bettflucht profitieren. Ich habe einige Menschen auch gefragt, ob und was sie schauen. So richtig der Hit waren die Spiele nicht.

Medaillen zur Halbzeit

Medaillenspiegel zur Halbzeit (Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Winterspiele_2022)

In guter Erinnerung wird die Eröffnung bleiben. Wie viele Menschen es weltweit über TV gesehen haben, konnte ich übrigens nicht herausfinden. Scheint ein Geheimnis zu sein. Das Medley mit den Klassik Titeln fand ich gelungen. Es ist inzwischen auch auf https://youtu.be/gUBEk9nmUxs

Wer die Titel nicht lesen kann, ich füge hier die Liste der 18 Titel an: 01 Giachino Rossini - Wilhelm Tell Overture, 02 Edward Elgar - Pomp and Circumstance, Op 39, March No 1, 03 Tchaikovsky - The Nutcracker Suite, Dance of the reed flutes, 04 Tchaikovsky - The Nutcracker Suite, March, 05 Giuseppe Verdi - Aida Triumphmarsch, 06 Johann Strauss II - Voices of spring, op 410, 07 Beethoven - Turkish March, 08 Beethoven - Symphony No 5, Allegro, 09 Mikhail Glinka - Ruslan and Ludmilla Overture. 10 Giuseppe Verdi - La Traviata, Libiamo, 11 Georges Bizet - Carmen Act 1, Prelude, 12 Johannes Brahms - Ungarischer Tanz Nr 5 in g moll, 13 Emile Waldteufel - Les Patineurs, 14 Franz von Suppe - Leichte Kavallerie, 15 Vivaldi - Spring, Allegro, 16 Mozart - Nr 40, erster Satz, 17 Antonin Dvorak - Symphony No 9, From the New World, 18 Tchaikovsky - Swan Lake, Op 20, Act 4 Dance of the Little Swans

Insgesamt wird diese nette Geste für die Teilnehmer und Zuschauer aus dem Westen ein bleibendes Zeitdokument sein. Das Hauptlied von Beijing 22, nämlich „Together for a shared future“ ist in verschiedenen Versionen auch auf Youtube.

Jetzt, am Ende der Spiele kann ich nicht klar sagen, ob China mit der Ausrichtung der Spiele an Soft Power gewonnen oder verloren hat. Es wäre auch ungerecht, ein Land von der Ferne aus zu beurteilen. Wie immer im Zweifel, entscheide ich mich für den positiven Eindruck. Ich erwarte, dass mit der glücklichen Teilnahme die Spiele in Peking weltweit zuletzt dann doch in guter Erinnerung bleiben werden. Auch wenn es zu kalt, zu windig war und zu viele Athleten nur Vierte oder Fünfte geworden sind.

Ich habe beim Zuschauen oft applaudiert. Das heißt, die Spiele waren unterhaltsam und alle Beteiligten bekommen daher Anerkennung von mir.

Medaillen am Ende der Spiele

Medaillenspiegel am Ende der Spiele (Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Winterspiele_2022)

Deutschland und die beiden anderen DACH Länder Österreich und Schweiz können mit den Ergebnissen zufrieden sein. Norwegen führt als beste Demokratie der Welt die Spitzengruppe an. Dass China auf Platz 3 liegt freut mich für die Gastgeber.

Schlussfeier Peking 2022

Schlussfeier der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking

Schlussfeier Peking 2022

Die nächsten Winterspiele sind für 2026 in Mailand / Cortina d'Ampezzo geplant. Corona wird dann immer noch existieren, da bin ich mir ziemlich sicher. Bin gespannt, was in der Zwischenzeit sonst noch alles passieren wird.

Otto Buchegger im Februar 2022

Otto Buchegger, Curling Fan, im Februar 2022

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