OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Einsam ist jeder, der es behauptet zu sein. Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft ein häufiges Phänomen, nicht nur im Alter und nicht nur bei Singles. Über die Gründe der Einsamkeit will ich hier nicht spekulieren, auch nicht darüber, was jeder selbst tun kann, um seine Einsamkeit zu überwinden.

Mein Ansatz hier zum Thema Einsamkeit mag etwas ungewöhnlich sein und er wird am besten mit dem Ausdruck "Das erfolgreiche und seriöse Geschäft mit den Einsamen" oder "Einsame Menschen als Kunden" umschrieben. Denn wenn das Bedürfnis einsamer Menschen guten Kontakt mit anderen Menschen zu haben erfüllt werden kann, so haben alle Aktivitäten, die dieses Bedürfnis erfüllen, einen Nutzen. Und wer einen Nutzen erbringt, kann dafür auch Geld verlangen, es wird also zu einem Geschäft kommen, auch wenn dies nicht immer ganz offensichtlich ist.

Wenn bisher vom Geschäft mit der Einsamkeit die Rede ist, wird fast immer das negative Beispiel unseriöser Partnervermittlungen gemeint. Davon ist hier sicher nicht die Rede. Und ich denke auch, trotz mancher negativer Beispiele, dass diese für halbwegs kluge Menschen auch kein echtes Problem sind, denn sie sind doch zu leicht durchschaubar.

Auch die Praktiken mancher Kirchen und Sekte lasse ich hier weg, auch dafür gibt es genügend Warnungen, für alle, die sie hören wollen. Aber immerhin ist es vielleicht erwähnenswert, dass es Organisationen gibt, deren primäre Zielgruppe einsame Menschen sind und die es bestens verstehen, sie zu integrieren und dass man von ihnen durchaus lernen kann.

Unter dem Label 'Single' hat man sich in der Vergangenheit wenigstens etwas bemüht, Menschen, die nicht in Familien leben, besser zu bedienen. Aber Singles und Einsame sind nicht unbedingt das Gleiche. Es gibt durchaus auch Nicht-Singles, die sich einsam fühlen und viele Alleinstehende haben überhaupt kein Bedürfnis nach mehr Kontakten, weil sie ohnehin von ihren Berufen voll gefordert werden.

Einsamkeit ist meist mit Langeweile gepaart. Wer aktiv und mit Freude an einer Sache arbeitet, wird kaum einsam sein, auch wenn er dabei alleine ist. Aber noch leichter wird man sich wohl fühlen, wenn man mit anderen Menschen zusammen ist, denen man vertraut und die zu einem passen. So entstehen Freundschaften am ehesten durch regelmäßige Kontakte mit einer gemeinsamen, hoffentlich auch freudigen Aufgabe.

Die Einsamkeit wird also am ehesten bekämpfen, wer den Menschen solche Aufgaben gibt und regelmäßige Kontakte fördert. Bei den Kontakten genügt es nicht, dass die Menschen nur zusammentreffen, sie müssen auch die Möglichkeit - besser sogar den Zwang - haben, miteinander zu reden.

Wenn sich Menschen z.B. treffen, um gemeinsam im Kino einen Film anzuschauen, dann reduziert das kaum die Einsamkeit. Denn während der Vorführung kann nicht geredet werden, nach der Vorführung kann jeder seinen Weg gehen, ohne sich mit den Mitschauern austauschen zu müssen, auch wenn das viele gerne täten.

Aber wenn es in einem Theaterstück eine längere Pause gibt, in der man z.B. auch etwas trinken kann und sich dazu anstellen muss, dann kann sogar ein einziges Treffen genügen, um Kontakte zu schließen. Veranstalter, die solche kommunikative Pausen einplanen, tun sich also nicht nur selbst einen Gefallen, sondern sie helfen auch immer Einsamkeit zu reduzieren.

Was könnte nun ein Kinobesitzer von den Theaterveranstaltern lernen, um auch dort die Einsamkeit zu reduzieren, aber sein Geschäft nicht allzusehr aufwendiger werden zu lassen? Da Pausen im Kino selten praktikabel sind, müssen Events vor und nach dem Film herangezogen werden. Ein kurzes Anstellen ist auch hier schon ganz hilfreich, ebenso eine Bar, an der man noch was Essen und Trinken kann. Nach dem Film sollte man immer die Möglichkeit haben, einen Film zu beurteilen, durch Einwerfen der Eintrittskarte in entsprechende Boxen. Auch diese Tätigkeit bietet eine Möglichkeit zum Reden. Wer Filmreihen anbietet, gibt einen Anlass sich immer wieder zu treffen und so die Kontakte weiterzuspinnen und zu vertiefen. Wer verbilligte Karten für kleine Gruppen abgibt, fördert ein Gespräch so eine Gruppe zu bilden. Kleinere Kinosäle fördern auch den Kontakt. Es ist also - bei etwas Kreativität - auch im durchaus sonst so anonymen Kino möglich, etwas gegen Einsamkeit zu tun und damit sogar sein Geschäft zu fördern.

Diese Gegenüberstellung Theater / Kino scheint mir typisch zu sein. Obwohl beide unterhalten wollen, hat das Theater wesentlich besser auch auf die anderen sozialen Bedürfnisse der Menschen Rücksicht genommen. Ich vermute, dass dies gar nicht bewusst geschehen ist, aber wir können bei unseren heutigen Events ganz bewusst darüber nachdenken. Die Grundannahme sollte stets sein:

Es kommen einsame Menschen. Was können wir tun, um sie zum Sprechen zu bringen und um Kontakte zu fördern?

Der Hintergedanke kann selbstverständlich sein, dass damit Kunden gebunden werden und sogar neue Kunden gewonnen werden. Ich halte diese kommerziellen Aspekte dann für überhaupt nicht problematisch, wenn es dadurch den Menschen besser geht. Wohlstand hat in manchen Bereichen die Einsamkeit gefördert, warum sollte er nicht auch dazu beitragen, diese wieder zu reduzieren?

Sicherlich wird immer geschultes Personal dafür nützlich sein, aber Personal ist vielleicht manchmal zu teuer. Aber gibt es nicht auch andere Möglichkeiten, Menschen die einander noch nicht kennen, ins Gespräch zu bringen? Ich denke schon und fange mit einem ganz einfachen Beispiel an.

Es ist die einzelne Sitzbank an einem schönen Aussichtspunkt. Wie oft habe ich an einem solchen Platz schon interessante Gespräche geführt! Die einzelne Bank zwingt dazu, diese kostbare Ressource zu teilen. Gäbe es viele Bänke, würde sich - vor allem im Schwabenland - jeder seine eigene Bank aussuchen. Die schöne Aussicht gibt einen Anlass zu einer emotionalen Äußerung, eine wichtige Vorbedingung für einen Smalltalk. Man kann jederzeit aufstehen und die Bank auch wieder verlassen, man ist also nicht gezwungen ein Gespräch unbedingt weiter zu führen. Und die Entschuldigung, dass man sich kurz ausruhen will, vermeidet auch das "Geschmäckle", dass man Kontakt suchen muss, etwas was meist zum Abbruch desselben führt.

Hier ist es die gemeinsame Freude, die den Kontakt erleichtert. Und sicherlich ist die gemeinsame Freude, das gemeinsame Lachen z.B. einer der besten Weg aus der Einsamkeit. Aber es gibt auch gemeinsame Probleme, die förderlich sind. Ich denke, die Geborgenheit, die viele in den kommunistischen Ländern gefunden haben, rührte primär davon her, dass man sich gegenseitig helfen musste. In unserem reichen Land, gibt es - außer in Katastrophenfällen - kaum noch Zwänge dies zu tun, außer man lässt soziale Kreativität walten.

Gemeinsame Hobbys, gemeinsame Interessen, z.B. auch politische Interessen, sind so eine Möglichkeit. Und so hat sicher unser reichhaltiges, deutsches Vereinsleben viel zur Förderung der Gemeinschaft getan. Aber viele der traditionellen Vereine sind heutigen Menschen zu starr und sie wären dankbar für ähnliche Organisationen, die zwar Gemeinsamkeit bieten, aber weniger Formalismen fordern. Zwei Hauptpunkte - neben den gemeinsamen Interessen - aber sollten sie übernehmen: Erstens, dass man sich regelmäßig trifft (mindestens einmal pro Monat), zweitens, dass man sich mit Namen kennt. Wie ich aus den virtuellen Gemeinschaften im Internet weiß, ist es dabei gar nicht wichtig, den richtigen Namen zu kennen. Ein Spitzname schon genügt, um die Ansprechbarkeit zu erleichtern.

Leider hat sich der in Deutschland praktizierte Datenschutz als sich sehr kontraproduktiv erwiesen. Gruppen, die für ihre Mitglieder Adressenlisten anbieten, sind wesentlich förderlicher, als jene, die Adressen nicht freigeben wollen oder dürfen. Hier muß die richtige Balance noch gefunden werden. Wenn z.B. Reiseveranstalter schon keine Liste der Reiseteilnehmer angeben wollen, könnten sie dann nicht vielleicht durch Namensschilder dafür einen Ausgleich bieten?

Erfolgreiche Unternehmer für Kunden mit mehr Kontaktwünschen werden vor allem Entertainer-Qualitäten mitbringen müssen. Reiseveranstalter, von einfachen Clubs bis zu den Traumschiffen geben hier gute Vorbilder ab. Sie alle haben erkannt, wie wichtig ihre Arbeit für den dauerhaften Erfolg wird. Aber für viele Verkaufspsychologen, Städteplaner, Sozialarbeiter, Marketingstrategen wird der Gedanke an Einsamkeit noch eine Novum sein. Denn wären sie besser vorbereitet, dann wäre das Problem nicht so dringend, wie es zumindest mir erscheint.

Aber vielleicht liege ich ja falsch. Hoffentlich, kann ich dann nur sagen. Aber vielleicht auch nicht?

Aus dem Archiv von Otto Buchegger

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